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18. November 2015
„Am meisten Spaß macht das Schmähführen während der Partie“

Als sich am 06.11 der LASK und der Kapfenberger SV im Paschinger Waldstadion gegenüberstanden, haben wir ein kleines Experiment gewagt. Weg ging es von der Pressetribüne, direkt an die Outlinie, dorthin, wo man das Spiel in der unmittelbarsten Form präsentiert bekommt. Dieser Perspektivenwechsel hatte selbstverständlich einen Grund. Wir wollen euch mit dieser Reportage einen neuen Blickwinkel auf ein eigentlich ganz gewöhnliches Fußballspiel eröffnen. Denn wir haben unserem Platzsprecher-Duo Wolfgang Fröschl & Georg Hochedlinger bei ihrer Arbeit über die Schulter geguckt:

Waldstadion Pasching, 06.11.2015, 17:21 Uhr: Ein kalter, eisiger Nebel liegt über dem Rasen des Vorort-Stadions, im leeren Rund herrscht eisige Stimmung. In einer Stunde steigt hier ein Spiel des LASK, auf den ersten Blick wirkt es so, als würde sich hier überhaupt nichts regen. Doch bei genauerem Hinsehen erblicke ich die Beiden, Wolfgang und Georg, wie sie sich auf das Spiel vorbereiten. DSC04020Sie tauschen einige routinierte Sätze aus – „Du übernimmst die Übergabe des Refugees-Trikots in der Halbzeit, ok? Ach, und der Werbeblock ist heute übrigens länger.“ – und schon ist klar, wer heute welche Aufgaben übernimmt. Seit eineinhalb Jahren arbeiten Wolfgang und Georg nun schon zusammen und dass sie zu zweit sind ist ihnen zufolge eine große Entlastung. Dabei sind Stadionsprecher-Duos im deutschsprachigen Raum eine absolute Rarität. Abgeguckt haben es sich die Zwei vom Weltmeister, der deutschen Nationalmannschaft. Doch auch zu zweit bleibt noch immer genug zu tun, das Platzsprecher-Dasein geht weit über das „bloße“ Moderieren eines Spieltags hinaus. Da die Beiden bei jeder Partie im wahrsten Sinn des Wortes im Mittelpunkt (sprich: der Mittelinie) stehen, sind sie abseits des Platzes der Dreh- und Angelpunkt für sämtliche Fragen, die während der Partie auftauchen. Ob das Ordnerpersonal oder der Sky-Reporter, alle steuern bei Unklarheiten die zwei Herren mit dem Mikro an. Das alles erzählen mir die beiden, während wir darauf warten, dass sich das Stadion langsam füllt. Von Nervosität oder gar Stress keine Spur. Diese Gefühlswelten kennen die beiden ohnehin nur sehr selten, die Frage nach dem nervenaufreibendsten Spiel ist schnell geklärt: Das Relegations-Rückspiel gegen Parndorf. Als nach dem Schlusspfiff alle Dämme gebrochen sind, sei das auch für sie eine Ausnahmesituation gewesen. Während mir die beiden erzählen, wie sie die Siegerehrung wie in Trance moderiert haben und dass Wolfgang vor der Partie vorsorglich zwei lesefertige Texte für die zwei möglichen Ausgänge vorbereitet hatte, merke ich, wie sie ins Schwärmen geraten. Bei aller Routine, manche Partien sind eben was ganz Besonderes.

Der Rundown gibt das Tempo vor

DSC04049Nun zeigt die Stadionuhr bereits 17:58, und an die 300 Zuschauer haben sich auch schon nach Pasching verirrt, schön langsam machen sich Wolfgang und Georg bereit. Auf keinen Fall darf Wolfgang darauf vergessen, die Namen der gegnerischen Mannschaft genau zu studieren und gegebenenfalls bei einem Betreuer um Aussprachetipps zu bitten, des Öfteren lauern bereits hier große Stolperfallen. Und nachdem schließlich auch die letzten Fragen geklärt sind, geht’s für unser Sprecher-Duo um 18:12 Uhr Ortszeit endlich los. Wolfgang macht die Anmoderation, Georg nimmt den Ball gekonnt auf und präsentiert den Zuschauern die wichtigsten Fakten rund um die Partie. Wie Barcelona kombinieren sich die beiden schließlich über ein Interview mit dem Spielsponsor zum allerersten Highlight: Der Aufstellung. Diese tragen die beiden neuerdings auch gemeinsam vor, noch acht Minuten bis zum Anpfiff. Das Stadion mittlerweile besser gefüllt, an die 2000 Besucher werden es wohl sein. Fünf Minuten vor Spielbeginn muss das Duo dann die Kontrolle über den weiteren Verlauf aus der Hand geben, der „Rundown“ beginnt und Sky hat nun das Kommando. Alle Abläufe müssen jetzt perfekt sitzen, das erste Mal merkt man so etwas wie leichte Anspannung in den Gesichtern. Rechtzeitig um 18:26 erklingen dann die Red Hot Chili Peppers und Wolfgang begrüßt unter Sprechchören der Kurve die Mannschaften. Georg moderiert noch den Ehrenanstoß an und dann ist’s endlich soweit: „Auf geht’s.“ sagt Wolfgang. Und los. 18:30:09 – Punktlandung.

Alle Hände voll zu tun

Die erste Arbeitsschicht ist somit getan, nun heißt es abwarten. Das Spiel beginnt eher mau und so nützen Wolf und Georg die Zeit zum Diskutieren: Da wird ein Gartler mit Janko verglichen, manches Mal ein Foulpfiff gefordert, die Mannschaft angefeuert – wie am Stehplatz eben. Und genau das ist es, was den beiden am besten gefällt: „Das Schmähführen macht am meisten Spaß.“ Mit dem Schmäh ist es dann nach 20 Minuten allerdings vorbei, Kapfenberg geht in Führung und jetzt ist Wolfgang gefordert. Er hat den Schützen nicht gesehen, da hilft nur ein Sprint Richtung Eckfahne, um einen besseren Blick zu erhaschen. Zeit zum Ärgern bleibt da keine. Und nun geht es Schlag auf Schlag: Zuerst verletzt sich Drazan schwer und der Wechsel will durchgesagt werden, dann trifft der eingewechselte Fröschl nur drei Minuten später zum Ausgleich! Nun folgt das uns allen bekannte Frage-Antwort-Spiel, das sich in dieser Partie noch oft wiederholen sollte. „Torschütze mit der Nummer 9, Thomas…“ – „Fröschl!“. Doch zum Verschnaufen bleibt erneut keine Zeit, der LASK zündet ein Fußballfeuerwerk und das Sprecher-Duo hat alle Hände voll zu tun. 28. Minute, 32. Minute, 41. Minute – es steht 4:1. Als Wolfgang schließlich als Postludium zwei Minuten ankündigt, sind die beiden sichtlich geschafft, so viel auf einmal gibt’s nicht so oft zu tun.

Ruhige zweite Halbzeit

DSC04036Die Halbzeitpause läuft dagegen schon fast ruhig ab, Georg übergibt einem Ramsebner-Fan im Rahmen der „LASK 4 Refugees“-Aktion ein Nationalteamtrikot von Ramsi, Wolfgang bewirbt eine weihnachtliche Dauerkartenaktion und gibt wieder an Georg zurück, der eine Pokerveranstaltung des LASK anpreist. Die zweite Halbzeit gibt den Beiden dann schließlich etwas Zeit zum Verschnaufen, Wolfgang greift allerdings zweimal euphorisch Richtung Mikrofon, als Fröschl und später Kerhe Großchancen vorfinden. Doch ein Heimtor muss an diesem Abend nicht mehr durchgesagt werden. Aufregung kommt nur mehr gegen Ende der Begegnung auf, als ein Sky-Mitarbeiter eine gefährliche Spielszene verdeckt, der Alptraum eines jeden Platzsprechers. Als schließlich eine Minute vor Schluss das 4:2 fällt, tangiert das im Stadion kaum noch jemanden. Pflichtbewusst gibt Wolfgang den neuen Spielstand durch, insgeheim freuen sich die zwei aber bereits über den schwarz-weißen Heimerfolg und als der Schlusspfiff endlich ertönt gibt’s noch den Schlussakkord ihres Arbeitstages: Grußworte an alle Fans, die Vorausschau auf  die kommenden Partien und dann dürfen die beiden endgültig an den Stadion-DJ übergeben. Ihre Aufgabe haben sie wieder einmal bravourös erledigt. Und nur wenige Minuten nach ihrer letzten Durchsage regt sich dann im Paschinger Waldstadion wirklich nichts mehr. Ist ja auch schon 20:50 Uhr.

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