UEFA – Intertoto – Cup – zum zweiten Mal stand dieser an sich traditionsreiche – oft etwas abschätzig als „Sommercup“ bezeichnete Bewerb – unter der Patronanz des Europäischen Fußballverbands und erfuhr so eine Aufwertung in Richtung Qualifikationsturnier zum UEFA-Cup. Und da eine Qualifikation ja durchaus auch zum Bewerb gehört, kann mit Fug und Recht von Europacupspielen gesprochen werden, wenngleich deren Status und Image natürlich klar hinter den etablierten drei Pokalturnieren der Meister, der Cupsieger und des UEFA-Cups anzusiedeln war.
Die 1996-er-Ausgabe hatte unser LASK mit einem sicheren 2:0-Heimerfolg gegen Djurgardens IF Stockholm begonnen, wobei für das „Heim“ diesmal das Union-Stadion in Wels zuständig war, weil die altehrwürdige Linzer Gugl eine moderne Rasenheizung erhielt.
Am 30. Juni 1996 bestritt der LASK Spiel 2 seiner Gruppe und musste nun seinerseits in den hohen Norden reisen. B 68 Toftir von den Färöer-Inseln wartete auf den Gast aus Linz in Österreich.
Österreich war in Sachen Fußball wohl einige Jahre lang auf den Färöer-Inseln das bekannteste Land. Diese – im konkreten Fall allerdings zweifelhafte – Ehre verdankt unser Land einem denkwürdigen Länderspiel vom 12. September 1990. In Landskrona in Schweden trafen die Färöer-Inseln in ihrem ersten offiziellen Qualifikationsspiel als Mitglied der UEFA auf Österreich. Das Ausweichen nach Schweden war notwendig gewesen, weil es auf den Färöer aufgrund der ungünstigen Witterungsbedingungen zum damaligen Zeitpunkt nur Kunstrasenplätze gab.
Österreich, das kurz zuvor unter Trainer Josef Hickersberger nach einer glänzenden Qualifikation die WM-Endrunde in Italien bestritten hatte, dort allerdings mit einem Sieg und zwei Niederlagen über die Vorrunde nicht hinausgekommen war, dominierte erwartungsgemäß das Spiel, ging aber mit den Tormöglichkeiten zu fahrlässig um und musste in der 62. Minute einen Gegentreffer durch Torkil Nielsen einstecken. Dieser Treffer irritierte unser Nationalteam noch mehr und das Nie-Erwartete traf ein. Mit Glück, Geschick und Torhüter Jens Martin Knudsen („der Mann mit der Zipfelmütze“!) verteidigten die Amateure ihren Vorsprung und gingen tatsächlich als umjubelte Sieger vom Platz. Diese Niederlage klebt als Fixum trotz vieler schöner Erfolge an Trainer Hickersberger wie das spätere 0:9 in Valencia gegen Spanien am ebenfalls ansonsten durchaus erfolgreichen Teamtrainer Herber Prohaska. Beide mussten nach ihrem ganz persönlichen „Waterloo“ den Hut als Teamchef nehmen.
Im Fußball der Färöer bedeutete dieses Ereignis eine Art kopernikanische Wende: vom Freizeitfußball zum professionell organisierten Sport, von Wald- und Wiesensportplätzen zu einem „Nationalstadion“, von praktisch lebenslanger Vereinstreue zu Abwerbungen und Vereinswechsel, von bis zu zehn Titelkandidaten zu maximal vier, vom Bettelstab zum Sponsoring, von Spaß und Ehre zu Ernst und Geld. Österreich war also der indirekte – und vor allem ungewollte – Wegbereiter aus der Ballsport-Idylle hinein in den modernen Fußball. Längst spielen die Färöer im eigenen Land, längst gibt es andere Nationen, die Niederlagen gegen sie hinnehmen mussten (Griechenland, Lettland, Litauen, Estland, Kasachstan, Malta und andere) und längst ist „Landskrona“ Teil der Geschichte des Fußballs, aber auch der Inselgruppe zwischen Schottland und Island und seiner knapp 50 000 Bewohner auf 17 (andere Angaben 18) von insgesamt 24 vulkanischen Felseninseln und Schären.
Die Übersetzung des Namens Färöer („faar oy“) bedeutet „Insel der Schafe“ und bringt damit schon einen der zwei wichtigsten Wirtschaftszweige zum Ausdruck. Der zweite neben der Schafzucht ist naheliegenderweise der Fischfang. Um 800 wurden die Inseln von norwegischen Wikingern besiedelt. Im 14. Jahrhundert kam man gemeinsam mit Norwegen an Dänemark. Im 2. Weltkrieg waren die Färöer von britischen Truppen besetzt, doch schon 1948 konnte die Regierung weitreichende Autonomiegesetze erlassen.
Der Fußballverband wurde im Jahre 1979 gegründet, dem Weltverband FIFA trat man 1988 bei, dem Kontinentalverband UEFA 1990. Beachtlich ist die Zahl der aktiven Fußballspieler. In Anbetracht der Tatsache, dass die gesamte Bevölkerung des Landes / der Inseln bei vielen Fußballstadien dieser Welt nicht ausreichen würde, um das „Ausverkauft“-Schild an die Kassa hängen zu können, ist die Zahl von knapp 6 000 Aktiven etwa um die Jahrtausendwende ziemlich erstaunlich. In nicht wirklich vielen anderen Städten und Ländern wird man auf 13 Prozent aktiver Fußballspieler kommen. Diese spielen vornehmlich und am erfolgreichsten in den beiden größten Städten der Inselgruppe: Torshavn und Klaksvik.
Aber auch der Gegner des LASK in er UI-Gruppe 2 B 68 Toftir konnte bis zum Zeitpunkt des Spiels gegen den LASK sehr gut mithalten.
Toftir, ein Ort der Insel Eysturoy mit rund 800 Einwohnern, liegt am Skalafjodur, dem mit 13 Kilometern längsten Fjord der Färöer. Neben der Kirche und einem Denkmal zählt das Fußballstadion zu den Top-Sehenswürdigkeiten. Es wurde kurz nach dem Sieg über Österreich 1991 in der Euphorie über den landeseigenen Fußball erbaut und fasst mehr als sechsmal so viele Zuseher wie Toftir Einwohner hat. Mit dem Fassungsvermögen von 5000 Zuschauern und einem Naturrasen ist das Stadion Svangaskard neben dem Stadion der Hauptstadt Torshavn die einzige von FIFA und UEFA für ihre Bewerbe zugelassene Spielstätte.
Am 30. Juni 1996, einem Sonntag, war von den 5000 Plätzen allerdings nur etwa 1 Prozent besetzt, fanden sich laut Medien doch nur etwa 50 Zuschauer ein, um der „Tofta Itrottarfelag B 68“ („Die Sportgemeinschaft Toftir Ballvereinigung 68“) in seinem erst dritten europäischen Pokalspiel auf die Beine zu sehen. 1993/94 war Croatia Zagreb in der Vorrunde zur UEFA Champions League mit 6:0 und 5:0 sehr deutlich überlegen gewesen. In den aktuellen UI-Cup griff man erst gegen den LASK ein, am ersten Spieltag genoss man noch die Freirunde.
Toftir IF B 68 wurde – wie der Vereinsname nahelegt – im Jahre 1968 offiziell gegründet. Es liegen aber auch Berichte über eine inoffizielle Gründung bereits 1962 vor. Es dauerte bis 1981 bis zum Aufstieg in die 1. Deild, die 1. Division des färöischen Fußballs. Dann aber erfolgte eine goldene Zeit für die Rot-Schwarzen. Drei Meistertitel in den Jahren 1984, 1985 und 1992 sowie ein Einzug ins Pokalfinale 1995 sind beredtes Zeugnis dafür.
Nach der allzu deutlichen Unterlegenheit in der Qualifikationsphase zur Champions League versuchte man sich 1996 nun im doch deutlich weniger anspruchsvollen Intertoto-Bewerb und war gespannt, wie man sich gegen Gegner dieses Formats schlagen würde. Als erster Prüfstein kam also der Linzer ASK, in der Vorsaison auf Rang 6 der österreichischen Bundesliga, in das heimische Stadion Svangaskard.
Bevor dieser ASK allerdings in das Stadion kam, hatte er schon eine spannende Anreise mit der Fähre hinter sich. Die österreichischen Gäste und ihr neuer deutscher Promi-Trainer Friedel Rausch zeigten sich beeindruckt vom Naturschutzparadies der Inseln und von den malerischen bunten Häusern unter dem Stadion über dem die Möwen kreisten.
So entspannt konnte sich der Schiedsrichter nicht auf das Spiel einstellen. Herr Patrick Dempsey wäre beinahe zu spät eingetroffen, da sein Flugzeug die Landeerlaubnis erst nach Diskussionen erhielt.
Die Spieler des Linzer ASK allerdings nahmen ihre Begeisterung und Euphorie mit aufs Spielfeld und machten von Beginn an klar, dass sich ihr Auftreten nicht mit jenem ihres nationalen Teams knapp sechs Jahre davor vergleichen lassen sollte. Bei Regen und nur 10 Grad Außentemperatur übernahmen Friedels Jünger von Beginn weg das Kommando und schlossen gleich mehrere der ersten Aktionen konzentriert und erfolgreich ab.
Ein Gewaltschuss von Sascha Metlitski ins Kreuzeck eröffnete in Minute 14 den Torreigen. Selbiger Spieler traf fünf Minuten später mit einem tollen Freistoß die Latte. Den zurückpendelnden Ball konnte – der im Juli 2018 viel zu früh an den Folgen eines Herzinfarkts verstorbene – Christoph Westerthaler über die Linie drücken (19.), zwei Minuten später schloss Dragan Dubajic einen schönen Angriff perfekt (21.) ab und der unermüdliche Ivica Duspara versenkte einen Freistoß in Minute 30 im Kreuzeck. 4:0 – und das nach einer halben Stunde – das wäre schon bei diesem Spielstand der Rekordsieg in einem europaweiten Bewerb für den LASK.
Mit der unter Trainer Friedel Rausch schon eingeübten Spielorganisation, aber auch mit der Verantwortung im Spiel und mit der Spielfreude kontrollierte man die „Wikinger“ komplett. Diese waren nicht nur ob des an diesem Tag übermächtigen Kontrahenten auf dem Fußballfeld arm dran, sondern auch mit ihrer Matchvorbereitung. Diese bestand nämlich aus Walfang am Vortag des Spiels und aus Walverarbeitung bis in die Morgenstunden des Spieltags. Angeblich war beim Landeanflug der Maschine des LASK das Meer mit rotem Blut verfärbt. Die Amateure des Fußballs und Meister der Fischerei waren froh, bis zur Pause nicht mit der doppelten Anzahl an Gegentoren bedacht worden zu sein.
Zu ihrem Glück wirkte sich ihre eigene Müdigkeit in Hälfte zwei -zumindest ergebnistechnisch – nicht mehr aus. Der LASK konnte es sich leisten, ein bis zwei Gänge zurückzuschalten, die Spielkontrolle im Wesentlichen zu bewahren und Kräfte zu sparen, etwa für das bevorstehende Konditionstraining in St. Wolfgang. Die färöischen Fischer waren den euphorischen Schwarz-Weißen von der Donau schon längst ins Netz gegangen.
Medien und Fans in Linz begannen langsam vom UEFA-Cup zu träumen, ungeachtet dessen, dass in der Gruppe erst die Hälfte der Spiele absolviert waren, ungeachtet dessen, dass der Kampf mit Werder Bremen noch bevorstand, ungeachtet dessen, dass selbst bei Platz 1 noch zwei weitere Runden zu überstehen sein würden. Beherrscht wurden die Nachrichten zum LASK aber mehr von vermeintlichen oder tatsächlichen Transferabsichten wie Polster, Riseth oder Halilovic.
Für Tofta blieb die Erkenntnis, dass auch Teams aus dem Mittelfeld weniger starker Ligen noch mindestens eine Nummer zu groß sind. Das 0:4 gegen den LASK blieb aber immerhin – gemeinsam mit einem 1:5 gegen Djurgardens – die höchste Niederlage dieser UI-Cup-Saison. Bis zur nächsten Teilnahme dauerte es fünf Jahre. Gegen den belgischen Klub SC Lokeren gelang den tapferen färöischen Balljägern – oder sollte man besser Ballfischern sagen? – ihr erster europäischer Punkt (0:0 auswärts).
Ab 2004 verließ sie aber überhaupt ein wenig Stärke und Glück. Seither sind sie eine typische Fahrstuhlmannschaft zwischen 1.und 2. Liga. Dass sich das Schicksal des einst so starken Gegners aus Österreich in den nächsten Jahren teilweise noch wilder gebärden sollte, davon war im schönen Fußballsommer 1996 noch kein Laut zu hören und kein Wölkchen zu sehen.
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Stimme zum Spiel:
Friedel Rausch, Trainer: Vor allem in der ersten Halbzeit war ich mit unserer Leistung sehr zufrieden. Da hat meine Elf schön kombiniert und viele Aktionen erfolgreich abgeschlossen.
Für den LASK in Europa:
Dubajic Dragan, Duspara Ivica, Ehmann Anton, Kartalija Goran, Metlitski Alexander, Kauz Jürgen, Russ Kurt, Rohseano Klaus, Schicklgruber Josef, Stromberger Hannes, Unger Manfred, Westerthaler Christoph, Weissenberger M., Weissenberger Th.
Statistik
Europapokal IV – UEFA-Intertoto-Cup 1996, Gruppe 2, Spieltag 2
Samstag, 30. Juni 1996
Toftir, Stadion Svangasgard, 50 Zuschauer
Schiedsrichter Patrick Dempsey (Irland)
B 68 Toftir (Färöer-Inseln) vs. LASK 0:4 (0:4)
Tore: Metlitskij (14.), Westerthaler (19.), Dubajic (21.),Duspara (30.)
B 68 Toftir: Magnussen, Olsen, Lömstein (65., Jakobsen), Danielsen, Hansen H.F. (81., Joensen), Hojgaard I., Petersen, Benjaminsen, Hansen Ö., Johannesen, Didriksen (71. Hojgaard A.); Coach: Tranbjerg
LASK:Schicklgruber; Kartalija, Unger (46., Ehmann), Rohseano, Russ, Metltskij, Duspara, (46., Weissenberger M.), Stromberger, Weissenberger Th., Dubajic, Westerthaler (46. Kauz); Coach: Rausch
LASK in Gruppe 2 nach 2 von 5 Spieltagen auf Platz 1
Quellen:
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Grüne Hardy, Enzyklopädie der europäischen Fußballvereine. Die Erstliga-Mannschaften Europas seit 1885, Kassel 2000
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Österreich – Färöer. Europameisterschafts-Qualifikationsspiel. Salzburg – Stadion Lehen.
22. Mai 1991 / Beginn 19.00 Uhr – Programmheft
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Oberösterreichische Nachrichten, 1. Juli 1996
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Neue Kronen Zeitung, 1. Juli 1996
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Neues Volksblatt, 1. Juli 1996