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1. March 2024
Fan(un)kultur? – Ein Plädoyer für die Wahrnehmung der Mehrdimensionalität

Sehr geehrter Herr Zöpfl,

Bezugnehmend auf Ihre Ausführungen im Beitrag „Unser Fußball und seine Fan(un)kultur“ auf www.nachrichten.at, 29.02.2024, möchte ich zunächst darauf hinweisen, dass ich es sehr gut finde, dass Sie versucht haben, sich ein Bild der Fan-Kultur des LASK am Stehplatz zu machen. Da es „kürzlich“ war, nehme ich an, Sie waren Gast beim Cup-Viertelfinalspiel gegen Red Bull Salzburg. Bei den beiden sonstigen Heimspielen, die „kürzlich“ stattfanden waren die Gegner Klagenfurt und Wolfsberg – hierbei gab es definitiv weder den Einsatz von Pyrotechnik noch Schmähgesänge gegen die Gastvereine oder deren Fans. Es gibt drei Gegner des LASK in der Bundesliga bei denen es sogenannte „Anti-Gesänge“ noch gibt – im Regelfall alle mit ein- und demselben Schimpfwort („H*…söhne“). Es sind dies Red Bull Salzburg, Rapid Wien und Blauweiß Linz sowie situationsbezogen mit Abstrichen auch Sturm Graz und Austria Wien). Die Pyrotechnik kann man natürlich als verbotenes Verhalten brandmarken, wobei diesbezüglich ein Ligaspiel oft andere gesetzliche Rahmenbedingungen hat als ein Cupspiel. Interessant ist auch, dass die Bilder davon dann durchaus medial verwendet werden, um zu beweisen „wie toll die Stimmung war“. Selbst in Werbefilmen der Bundesliga und des ORF tauchten die „verbotenen Aktionen“ schon auf. Und wenn in Schladming oder am Kulm bengalische Feuer brennen, dann bejubeln alle die großartigen – was sie sicher sind – österreichischen Ski-Fans.

Es freut mich auch, dass Sie neben den bildungsfernen Schichten auch Pädagogen und Ärzte erwähnen, die im Fansektor stehen. Wie Sie allerdings erkannt haben, dass bei ordinären Beschimpfungen und abfälligen Gesten „alle mitmachen“, ist für mich jedoch fraglich. Ich bin LASK-Fan, ich stehe im Sektor, ich feuere unsere Mannschaft mit an, rufe aber bei Beschimpfungen nie mit – und bin übrigens Pädagoge. Auch jede Menge anderer Personen aus allen Gesellschaftsschichten, die während der Beschimpfungen ihrer Stimme eine Pause gönnen, könnte ich Ihnen nennen.

Äußerst schade finde ich, dass Sie die Fan-Kultur des LASK nahezu auf Pyrotechnik und Beschimpfungen reduzieren. Dabei hat diese Kultur viel mehr Dimensionen: Fußball, Freundschaften, Reisen, Bildung, Feste und Feiern, soziale Verantwortung, Treue und viele mehr.

Sicherlich haben Sie mitbekommen, wie sehr gerade auch in ihrer Zeitung (sogar auf Seite 1) Quantität und Qualität des LASK-Supports in Liverpool gelobt wurden, sicherlich haben Sie mitbekommen, welchen zeitlichen und finanziellen Aufwand viele Fans auf sich nehmen, um die Mannschaft zu unterstützen. An den Bildrechten der herrlichen Choreografien verdienen die Bildagenturen bestimmt nicht schlecht. Unzählige Spruchbänder haben Menschen schon auf der Welt begrüßt, ihnen Trost und Hoffnung in Krankheit gespendet oder sie im Tod gewürdigt.

Sicherlich haben Sie auch mitbekommen – ihre Zeitung berichtete dankenswerterweise ausführlich – dass die LASK-Fans vor wenigen Wochen mehr als 30.000 Euro an soziale Organisationen spendeten. Vielleicht haben Sie davon gehört, dass die Fanszene obdachlosen Menschen einen Stadionbesuch geschenkt hat. Vielleicht ist ihnen aufgefallen, dass jegliche Diskriminierung aus dem Sektor verbannt ist, vielleicht ist ihnen aufgefallen, dass es seit Jahren keine homophoben Gesänge mehr gibt, vielleicht ist ihnen aufgefallen, dass schon bei rassistischen Wortspenden einzelner intern eingegriffen wird und eigene Anti-Rassismus-Aktionen gestartet werden.

Das und vieles mehr ist LASK-Fan-Kultur, ist LASK-Ultra-Kultur. Fans und Ultras des LASK sind keine Heiligen, sie machen nicht alles richtig … aber wie viele Heilige gibt es? Wer macht in seinem Leben alles richtig? Wenn nicht alles, so doch vieles machen sie richtig und sie wissen mehr als viele andere Menschen was es bedeutet mit ganzem Herzen für eine große Liebe einzustehen.

Abschließend stelle ich mir die Frage, wie die LASK-Fans überhaupt in einen Artikel kommen, der sich eigentlich mit dem Fehlverhalten von Spielern, Trainern und Offiziellen eines anderen Vereins beschäftigt? Wenn das aus lokalem Interesse ist, wenn ein Gemenge von skandalträchtigem Verhalten, von Rapid, homophoben und rassistischen Sagern an Stammtischen und am Aschermittwoch mehr Leserinnen und Leser findet, wenn man den LASK dazu mischt, dann ist es umso bedauerlicher, wie mangelhaft, einseitig und undeutlich die schwarz-weiße Fan-Kultur hier dargestellt wird.

Wenn Sie sich wieder einmal darauf einlassen, ein Spiel inmitten der „schwarz-weißen Wand“ anzusehen, können Sie sich von vielem des hier Gesagten selbst überzeugen und es vielleicht auch ein wenig nachempfinden, was es wirklich heißt, „Teil des Spiels“ zu sein. Gerade Sie mit ihrem Interesse und mit ihrer Fähigkeit, Erlebtes in Worte zu fassen, könnten in der Öffentlichkeit ein – nicht kritikfreies, aber doch gerechteres – faires Bild der Fankultur zeichnen. Vielleicht können Sie dann ja das „un“ aus dem Begriff Fankultur aus Überzeugung streichen!

Ein Pädagoge würde sich darüber freuen,
mit freundlichen Grüßen, Mag. Günther Waldhör

 

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Harald Sonnberger
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