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4. April 2015
Thomas Gaßler: “Der LASK gehört zu den Top 3 Vereinen in Österreich”

Im Rahmen des Spiels gegen Austria Lustenau verschlug es Thomas Gaßler, Projektkoordinator von “Pro Supporters“, nach Linz. Pro Supporters hat sich zum Ziel gesetzt die Fanarbeit der Fußballvereine zu verbessern und wichtige Inputs zu liefern. Gaßler gilt als Gründungsmitglied der” Verrückten Köpfe Innsbruck” und bringt unzählige Jahre Erfahrung im Bereich Fanarbeit und Fanszene in Österreich mit. Für uns auf jeden Fall Grund genug, ihm ein paar Fragen zu stellen. 

 seit1908.at: Wir steigen direkt in dieses Interview ein und beginnen mit einer blöden Frage. Thomas, du bist wahrscheinlich einer der wenigen Österreicher, der nicht grantig wird wenn man sagt, dass du ein verrückter Kopf bist.

Thomas Gaßler: Richtig, ich bin vom Fanclub Verrückte Köpfe. Wir haben 1991 den Fanclub gegründet. Ich war damals neben meinem Bruder und zwei weiteren Kollegen eines der Gründungsmitglieder. 
Damals waren wir schon sehr inspiriert von den Ultras in Italien. Irgendwann sind wir auf die “teste matte Napoli” gestoßen und diesen Namen einfach übersetzt. Da müssen wir jetzt auch einmal entmythifizieren, ohne jemals in Napoli gewesen zu sein haben wir diesen Namen übernommen. Unser Symbol, den Kopf, haben wir aus Vicenza. Dass wir den Kopf als unser Symbol genommen haben, hat einen ganz einfachen Grund. Wir haben unser erstes Transparent selbst geklebt und da war das einfach eines der einfacher zu klebenden Symbole. 

Heute bist du in Linz als Beauftragter von “Pro Supporters”. Was ist “Pro Supporters” eigentlich? 

Also ich bin der Leiter von “PS” , Koordination Fanarbeit Österreich. Wir sind insgesamt zwei Leute und uns gibt es seit 2012. Als Aufgabe haben wir uns gesetzt Fanarbeit in Österreich zu professionalisieren. Das Projekt ist auf lange lange Zeit angelegt. In Österreich steckt Fanarbeit einfach noch in den Kinderschuhen. Fußballfans in Österreich mussten in den letzten Jahren ja vermehrt repressive Maßnahmen kennenlernen, die haben sich stark vermehrt. Ich spreche hier von Stadionverboten, welche immer mehr werden, mehr Polizei und szenekundige Beamte in und rund um die Stadien und und und….Leider ist ganz wenig Energie und Arbeit in präventive Maßnahmen geflossen. Für uns ist der Ausgangspunkt die organisierte Fanszene, in dieser schlummert ein enormes positives Potential. Man braucht ja nur an die Stimmung oder die Choreographien in Österreichs Stadien denken. Diese positive Energien wollen wir fördern.

Zwei andere Punkte sind uns ebenso ein ganz besonderes Anliegen. Gewalt wollen wir mit unseren Maßnahmen ebenso weit wie möglich minimieren wie Rassismus und Diskriminierung in und rund um die Stadien. 

Wir bilden mit den Präventivmaßnahmen eigentlich den Gegenpunkt zu den repressiven Maßnahmen. Unsere Aufgabe ist es hier einzelne Projekte bei den Vereinen aufzubauen. Sprich wir beraten, schulen und vernetzen.

Da interessiert uns jetzt aber schon noch was. Einen Fanclub zu gründen und italienisch zu studieren befähigt wohl noch nicht dazu Österreichs oberster Fanarbeiter zu sein. 

Das auf keinen Fall. Ich hab nebenbei noch studiert, bin also Pädagoge und mein Kollege ist Sozialarbeiter. Darüber hinaus bin ich seit 1999 in internationalen Netzwerken tätig. 1999 war ich einer der Mitgründer von FARE (Football Against Racism Europe) und seit 2008 bin bei Football Supporters Europe dabei. Es erleichtert meine Arbeit natürlich enorm, dass ich sechs Sprachen kann. Nicht nur was die Sprache anbelangt, ich kenne auch die verschiedenen Mentalitäten und deren Charaktere, da ich verschiedensten Ländern gelebt habe.

Zählt bei den sechs Sprachen Tirolerisch auch dazu? 

Ja, Tirolerisch ist dabei (lacht). Nein, Englisch, Italienisch, Französisch, Rumänisch, Russisch, Spanisch und Deutsch zählen zu meinem Sprachenreportoire. Dann sind wir ja sogar auf sieben Sprachen. 

Mir hat das interantionale Networking einfach schon immer gedaugt. Da hat man natürlich versucht sich von den Italienern, Deutschen, Engländern usw. überall ein wenig herauszunehmen. Man sieht dann im internantionalen Vergleich, dass in Österreich ja sehr viel möglich ist. Der größte Vorteil in Österreich ist, dass die Wege kurz und die Türen offen sind. Die Informelle Qualität ist groß, man erreicht alle, aber einige Sachen sind schlecht strukturiert oder schlecht durchdacht. Oftmals fehlt auch einfach die Expertise. Da wollen wir ansetzen. 
Zusammengefasst wollen wir das internationale Know How ummünzen auf den österreichischen Fußball und dann mit den einzelnen Vereinen individuelle Konzepte ausarbeiten und so Fanarbeit professionalisieren. 

Hierzu muss man sich mal vor Augen halten, dass es in Österreich bei keinem Verein einen professionellen Fanarbeiter gibt. 

Du bist ja bekennender Innsbrucker, bei den Innsbruckern läufts derzeit gar nicht. Bist du deswegen heute in Linz weil du einfach einen neuen richtig geilen Verein suchst?

Guter Versuch (lacht). Nein, das ist nicht so. Jetzt wo ich für Fanarbeit in Österreich verantwortlich bin, müssen wir natürlich auch neutral sein und unsere Sympathien aufteilen. Von März bis Ende Mai sind wir bei 30 Spielen dabei. Bei allen Klubs aus Bundes- und Erste Liga und 5 Regionalliga Kubs machen wir eine Bedarfserhebung für Fanarbeit. Heißt, dass wir in die Fanszenen hineingehen und dort fragen was gut läuft, was man verbessern kann, wie man sich ein lässiges Projekt vorstellen kann usw. Natürlich hab ich mich da auch ein paar mal in Innsbruck eingeteilt, also so komm ich schon auch ab und zu zu Spielen von Wacker.
Aber am Ende des Tages ist der LASK sicher einer der Top 5 Vereine in Österreich. Sowohl als Verein von der Historie als auch von der Fanszene, das muss man schon neidlos anerkennen. Momentan spielt der LASK auch besseren Fußball als Innsbruck. 

Vermutlich kennst du die verschiedenen Fanszenen in Österreich so gut wie wenig andere. Wie siehst du die österreichische Fanszene im internationalen Vergleich? 

Das was die größeren und mittelgroßen Fanszenen in Österreich geschaffen haben, ist im internationelen Vergleich absolut top. Egal ob es jetzt um die eigenen Fanrechte geht, sprich welche Choreographien kann ich realisieren und wie gehe ich mit dem Thema Pyrotechnik um. Immerhin ist Österreich neben Norwegen und Schweden eines der wenigen Länder wo es die Möglichkeit gibt Pyrotechnik legal im Block zu zünden. Das ist eine Errungenschaft von der “Pyrotechnik ist kein Verbrechen” Kampagne. Zusätzlich brauchen wir in Österreich nicht über das Mitbringen von Fahnen oder Trommeln oder sonstiger Fanutensilien zu diskutieren. Fast jede Fanszene hat ihr Vorsängerpodest und Kammerl für diverese Utensilien im Stadion. Zumindes im Normalfall, in Linz ist das ja nicht der Fall wie ich heute erfahren habe. Österreich ist außerdem eines der wenigen Länder, wo es Mitgliedervereine gibt, wo man als einfaches Mitglied im Verhältnis relativ stark mitreden und mitgestalten kann. Das sehe ich als großes Plus im Vergleich zu Ländern wie Deutschland, England, Italien oder Spanien, wo das oft nicht der Fall ist. Wenn man die Bundesliga in viele Komponenten aufteilt, ist die Fanszene sicher eine, die im Verhältnis zur Größe am besten dasteht. 

Bei uns in Linz gibt es zwar kein verbrieftes Mitspracherecht, die Arbeit der organisierten Fans wird jedoch von den “Freunden des LASK” entsprechend positiv empfunden.

Fans vieler Vereine haben den 24. Dezember 2013 und die Geschehnisse rund um den LASK gespannt verfolgt. Während die Jubelschreie in Linz nach dem Ende von Reichel groß waren, war man anderswo in Österreich ein bisserl verwundert – der LASK ist immer noch kein offener Mitgliederverein im Gegensatz etwa zu Rapid Wien gibt es noch Demokratie-Defizite. Hierzu fällt mir das Statement eines LASK-Fans ein: “Ein Schritt von der Diktatur in die Monarchie ist schon ein Schritt in die richtige Richtung.” Man redet bei euch zwischen Klubführung und Fans, man spürt den Kontakt auch im Stadion. Über kurz oder lang hoffe ich natürlich trotzdem, dass der LASK ein offener Mitgliederverein wird, um den Leuten, die sich seit 20 Jahren den Arsch für den Verein aufreißen, zumindest ein Wahlrecht für Positionen in der Klubführung zuzugestehen. 

Was könnten die Vereine/die Liga auf die Schnelle besser machen bzw. wo siehst du deine Arbeit bei “Pro Supporters” in 10 Jahren?

Unsere Vision ist es, 10 sozialpräventive Fanprojekte bei Klubs in den höchsten 3 Spielklassen zu installieren, wo sich relevante Fanszenen befinden. Solche Projekte sollen nicht nur im Interesse der Fans und der Vereine, sondern auch der Städte und Länder sein, da eine breite Finanzierung und die Unabhängigkeit der Projekte wichtige Faktoren sind. Da bedarf es eines Schulterschlusses von Fußball und der öffentlichen Hand und unser Know-How, um dieseProjekten aufzubauen. Das Ziel ist die Stärkung der Fanszenen, damit sie größer werden, die Stimmung in den Stadien noch besser wird bei gleichzeitiger Minimierung des ständige”n Sicherheitsgedankens. Das kann man mit Dialog, guter Zusammenarbeit, Vermittlungs- und Bildungsarbeit erreichen. Uns gibt es seit 3 Jahren, wir arbeiten daran. Bevor wir individuell zu den Vereinen gehen, wollen wir einen Rahmen haben. In Deutschland gibt es das Nationale Konzept NKSS, in der Schweiz gibt es das Rahmenkonzept Fanarbeit. Wenn wir in 10 Jahren doppelt so viele Ordner und Polizisten im Stadion haben und wir arbeiten immer noch ehrenamtlich mit Fanklubs zusammen und weisen keine professionellen Strukturen auf, kann man sagen, dass wir es vergeigt haben.

Nach dem Spiel: Was sind deine Eindrücke von den Vorgängen hier in Linz?

Für uns war es ein extrem positiver Tag in Linz. Es gab 2012/13 eine Fanerhebung in Zeiten, wo es für den LASK wirklich düster aussah. Der Klub war österreichweit in den Top 3 der Anzeigen, es klappte weder der Dialog von Fans untereinander noch von Fans zur Vereinsführung. Wir sind heute mit wenig Erwartungen hergekommen und haben dennoch die positive Stimmung rund um den Klub wahrgenommen. In den vergangenen 15-16 Monaten hat sich einiges zum Positiven verändert. Wichtig sind regelmäßige Treffen und Kommunikationsstrukturen. Wichtig ist auch, dass Fans im Klub in Rollen eingebunden sind. Wir sehen einen Fan als Stadionsprecher, einen Fan als Fanbeauftragten und zumindest einen fannahen Sicherheitschef. Auch wenn enttäuschenderweise wenig Zuschauer gekommen sind, waren Stimmung und Support dennoch gut. Man merkt eine kleine Aufbruchstimmung, das Zuschauerpotenzial liegt natürlich weit höher, vielleicht sogar unter den Top 3 in Österreich, und der LASK gehört in die Bundesliga. Auf dem Weg dahin alles Gute.

Wir danken dir, dass du dir für uns Zeit genommen hast.

 ps1

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