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8. July 2020
2019/2020 – Grenzen-loser LASK Eine ganz persönliche Saisonbilanz

von Günther Waldhör

 

Ach, LASK,
geliebter Linzer Athletik Sport Klub,
es gab in diesem Jahr Momente,
da dachte ich daran,
wie es wohl sein würde,
am Tag nach dem Cupfinale,
ob es da schon eine große Feier geben würde
oder erst nach Ende der Meisterschaft,
denn – ehrlich gesagt –
es gab in diesem Jahr auch Momente
da dachte ich daran,
wie es wohl sein würde,
die Meisterschale zu berühren
und mit welchem Spieler ich mich
mit dem edlen Stück fotografieren lassen würde.
Ja, solche Gedanken konntest du dir als LASK-Fan zeitweise machen;
die nötigen Siege fuhr die Mannschaft am Platz sicher ein,
vor allem in der Fremde:
11 Auswärtsspiele – 11 mal Siegesjubel im Auswärtssektor!

 

Es gab in diesem Jahr Momente,
da dachte ich nichts mehr,
da war ich nur noch beseelt von nicht enden wollendem Glück.
Europacup – das hieß doch immer:
eine Runde genießen,
vielleicht auch einmal eine zweite erreichen
und im besten Fall dort ehrenvoll ausscheiden.
Doch diesmal war alles ganz anders –
Basel, Brügge, Trondheim, Eindhoven, Sporting, Alkmaar –
sie alle wissen jetzt, dass es meinen Klub gibt
und dass es der LASK ist,
der so spielt wie wenig andere,
der so getragen wird
von seinem Heimpublikum wie wenig andere,
der auswärts begleitet wird
von Hunderten und gar Tausenden
und dass es der LASK ist,
gegen den sie letztlich chancenlos waren (ausgenommen Brügge).
Tränen der Freude,
Tränen des Stolzes  –
Begleiter eines Europacup-Herbstes und Frühlingsbeginns.

 

Es schien,
als hätte diese Mannschaft,
als hätte dieser Klub
keine Grenze mehr,
als könnten wir gemeinsam
alle Grenzen verschieben.
Die „Grenze Wien“,
die die legendären Vorgänger 1965 überschritten hatten –
als erste nach über 70 Jahren Fußball in Österreich –
schien schon längst keine mehr zu sein,
die neue Grenze hieß „Red Bull“ –
doch auch die wollte diese Mannschaft
nicht als Grenze hinnehmen.
Selbst in der Bullen-Arena tanzten die Zebras.
Grunddurchgang, jeder gegen jeden,
daheim und auswärts,
22 Spiele,
gut zwei Drittel der Meisterschaft:
Rang 1 und sechs Punkte Vorsprung
auf den Serienmeister,
den Krösus der Liga,
dessen Budget kaum Grenzen hat.
Im Pokalbewerb bereitet kein Gegner
auch nur ansatzweise Probleme.
Da will es das Los wissen:
Red Bull oder LASK – Halbfinale in Salzburg!
Ein Spiel nur noch gewinnen –
und ich fahre nach 21 Jahren
wieder zu einem Finale!
Doch es gibt Momente,
die willst du nicht erleben,
nicht in diesem Jahr
und schon gar nicht
zum dritten Mal in vier Jahren.
Warum müssen die den Pokal
auch schon vor dem Halbfinalspiel
an den Spielfeldrand stellen?
Im bis dahin vielleicht wichtigsten Spiel
die schwächste Leistung,
0:1,
wieder kein Finale,
die erste Titelchance dahin.Doch wir trösten uns,
wir trösten die Spieler.
Wir singen „Spitzenreiter, Spitzenreiter, ey“.
Ein schönes Lied
und überhaupt:
Meister zu werden
ist ohnehin
das noch größere Ding.

Zuerst aber zeigen wir
dem großen Manchester United
– und Gary Lineker – noch,
wer der LASK ist.
Der legendäre frühere Stürmer
hatte die Frage gestellt,
wer denn dieser LASK sei.
Manchester United –
der weltberühmte Gegner,
in Linz, auf der „Gugl“ –
nicht bezahlt für ein Freundschaftsspiel,
nein, gelost zum Europacup-Achtelfinale.
Tränen der Freude
hatte ich in den Augen bei der Auslosung,
das Ticket für das Heimspiel,
die Reisepläne für „Old Trafford“ –
in welchem Film war ich da?
Fast 50 Jahre gehe ich
mit diesem Verein,
noch nie sah ich eine LASK-Mannschaft
so wunderbar Fußball spielen,
noch nie bewegte sich der Klub in solchen Regionen.
„Wunderteam“ nannte uns eine bekannte Zeitschrift,
die keine aus dem Sport ist.
Manchester United –
jetzt waren sie plötzlich alle LASK-Anhänger,
und zwar schon immer und sowieso,
jene Experten die schon beim zweiten Fehlpass nörgeln,
dass das nie was wird,
jene Geschäftsleute,
die noch vor kurzem
einen weiten Bogen um Fußball in Linz machten,
jene Journalisten,
die die „bad news“ des LASK ausgeschlachtet haben,
jene hippen Jungs und Mädels,
die kaum unterscheiden können
zwischen Regionalliga und Europacup,
aber man muss schließlich
am nächsten Tag mitreden können,
jene, die im Theater besser aufgehoben wären,
weil ihnen dauernd jemand die Sicht verstellt,
ihnen schon ein Applaus zu viel an Emotion ist
und jene Schreiberlinge aus all den Foren dieses Landes,
denen Hohn und Spott
stets näher ist
als Achtung und Respekt.
Gut, soll sein,
gemeinsam sind wir LASK,
also sollen auch sie kommen,
solange alle dabei sein können,
dies es sich verdient haben,
dieses Spiel zu erleben.
Und das scheint gerade noch der Fall zu sein.
So kann er kommen,
der große Tag,
so kann es kommen,
unser aller Jahrhundertspiel.
Doch es kommt etwas anderes;
ein bedrohliches Virus.
Es kommt,
immer näher.
Zuerst China –
ach, das ist weit weg
und die tragen ja selbst in Hallstatt
Schutzmasken im Gesicht.
Aber Italien,
gut, das ist nicht weit weg,
aber deren Gesundheitssystem und so…
Wir diskutieren immer noch viel lieber
über unser Spiel.
Doch dann,
erste Absagen,
auch im Fußball,
bitte nicht wir.
Nein,
abgesagt wird nicht
aber zuschauen darf niemand.
Hätte man doch lieber abgesagt,
als diese degenerierte Abart
eines großen Fußballspiels
durchzupeitschen.
Wir können nicht helfen,
auch dann nicht
als bei 0:1, bei 0:2 das Team
alles versucht, zurückzukommen.
Wie hätte die Gugl jetzt gekocht,
wir hätten sie zu einem ehrenvollen –
und diesmal hätte der Begriff auch gepasst –
Resultat getrieben.
Doch wir sind nicht da
und Man United macht in den letzten Minuten alles klar,
denn sie hatten den LASK nicht unterschätzt
wussten genau, was zu tun war,
und hatten Mittel und Spieler dazu.
0:5,
schaut blöd aus,
aber wen interessiert es wirklich?

 

Für viele Wochen sollte es das letzte Fußballspiel sein,
und das erste
einer noch nicht absehbaren Zeit
ohne Zuschauer.
In manchen Ländern brechen sie die Meisterschaften ab,
in manchen Ländern erklären sie die Tabellenführer zum Meister.
Auch bei uns?
Die fairste Tabelle Europas hätten wir.
Jeder hat gegen jeden gespielt,
zweimal,
auswärts, daheim,
nicht mehr, nicht weniger,
Punkt.
Aber auf diese Weise Meister werden?
Am grünen Tisch?
Auf Mehrheitsbeschluss oder Verbandsanordnung hin?
Viele fragen: „Wer will das schon?“
Ich sage: „Ich!“
Natürlich wäre es mir anders
und am Spielfeld und auf den Rängen
tausendfach lieber,
aber wenn’s nicht geht
und überhaupt
auf der Ehrentafel des Vereins
würde sich das
„Meister 2019/20“
schon gut machen.
Doch wir brauchen nicht lange darüber nachdenken.
Der LASK und ein Titel –
das klappt auch nicht am grünen Tisch.
Die Vereine brauchen dringend Geld,
vom Fernsehen soll es kommen,
ein Neustart wird vorbereitet.
Der LASK bräuchte das Geld nicht unbedingt,
er hat auch keine Kurzarbeit beschlossen,
er unterstützt mit seinen Mitarbeitern das Rote Kreuz.
Wie bin ich stolz auf diesen Verein!
Die Fans … nicht anders,
die „Landstrassler“ bieten ihre sozialen Dienste an.
Wie bin ich stolz auf diesen Verein!
Das Virus mäßigt sich,
die Klubs versprechen,
ihre Spieler zu testen,
die Klubs versprechen,
vorerst nur in Kleingruppen zu trainieren.

 

Auch der LASK verspricht es.
Der LASK – Meister am grünen Rasen?
Zwar ohne Zuschauer,
aber der Titel würde dennoch zählen!
Man könnte ihn den Fans widmen,
man könnte so viele Menschen in Stadt und Land
glücklich machen – oder zumindest stolz.
Aber zehn Spiele in einem Monat?
Die Verletzungsgefahr ist groß,
das wissen alle.
Doch es gibt Grenzen – noch,
Corona-Grenzen.
Doch man weiß auch:
Es bräuchte mehr im Training,
es bräuchte neue Anreize,
es bräuchte ein Mannschaftstraining,
zumindest ein paar Mal,
nicht lange, eine halbe Stunde vielleicht.
Der Gedanke lässt den Trainer nicht los,
er ist Perfektionist
und könnte sich in Linz
unsterblich machen,
der Gedanke kommt auch beim
Vize-Präsidenten an,
er ist Perfektionist
und könnte sein Lebenswerk krönen.
Man absolviert Trainings,
die so nicht hätten sein dürfen.
Man wird heimlich dabei gefilmt,
was so nicht hätte sein dürfen.
Doch was das Video zeigt,
ist – trotz schlechter Qualität –
eindeutig
verboten.
Eine Rechtfertigung muss her
eine Entschuldigung muss her
beides kommt
doch ungeschehen
kann man den Fehler,
kann man die „riesengroße Dummheit“
nicht mehr machen.
Man hat „danebengegriffen“,
sagt der Präsident.
Wie wahr.

 

Mein Verein hat betrogen.
Das tut weh, sehr weh.
Ich habe Tränen in den Augen,
Tränen der Traurigkeit.
Ein Verfahren wird eingeleitet,
dessen mögliche Konsequenzen –
bis zu Zwangsabstieg und Verbandsausschluss –
zwar für ganz andere Vergehen vorgesehen sind,
aber dennoch wochenlang im Raum stehen.
Vom „Wunderteam“ redet keiner mehr,
vom „Betrüger-Team“ sehr wohl.
Ich habe Tränen in den Augen,
Tränen der Furcht.
Was wird meinem Klub passieren?
Von den Mitbewerbern gibt es Kritik,
das ist klar und legitim,
doch aus kritischen Aussagen
werden immer öfter
unnachgiebige, unerhörte Angriffe,
Der eine Trainer fragt süffisant
„Was ist der LASK?“,
der andere Spieler möchte
keinem vom LASK
mehr die Hand geben.
Vorverurteilungen und Strafempfehlungen
von allen Seiten.
Ich habe Tränen in den Augen,
Tränen der Wut:
Was erlauben die sich alle,
die beleidigen den LASK,
die beleidigen mich.
Es kommt wie es kommen muss.
Verurteilung, Geldstrafe, Punkteabzug
zunächst sechs, in zweiter Instanz vier.
Für manche viel zu wenig,
für manche viel zu viel.
ich weiß es nicht.

 

Es kommt wie es kommen muss.
Die Geister-Meisterschaft beginnt.
Und wir stoßen an Grenzen.
Grenzen,
die Corona setzt,
Grenzen,
die das eigene Verschulden aufgerichtet hat,
Grenzen,
die die Psychologie setzt.
Gemeinsam Frühstücken vor dem Training – geht nicht
Gemeinsamer Motivationskreis vor und nach den Spielen – geht nicht
Motivierendes Abklatschen und Umarmen auf der Wechselbank – geht nicht
Aufmunternde Anfeuerung und lautstarke Unterstützung der Fans – geht nicht
Goldene psychologische Ansprachen – funktionieren nicht
Flow – ist weg
Hochform – ist weg
Sieger-Gen – ist weg
Sympathie–Image – ist weg
Selbstbewusstsein – ist weg
Spielglück – ist weg
Die Querlatten-Treffer,
manche Schiedsrichter-Entscheidungen,
die individuellen Fehler…
durchaus gute Leistungen bleiben unbelohnt,
nur 10 von 30 Punkten
Kein Meistertitel,
nicht mehr Vize-Meister,
auch nicht Platz 3,
Vierter.
Ok,
wer 10 Runden vor Schluss Erster ist,
will nicht Vierter werden.
das ist klar.
Aber das Gefühl braucht auch
den Blick auf das Ganze:
Höchste österreichische Liga, LASK:
1 mal 1.
2 mal 2.
4 mal 3.
8 mal 4.
Der vierte Platz
ist mit anderen zusammen
die achtbeste Platzierung
in der Vereinsgeschichte.
Und bei sechs der sieben besseren Platzierungen
gab es keine Punkteteilung.
Hätte sie diese auch heuer nicht gegeben,
wären wir mit und ohne Punkteabzug
wieder Vize-Meister geworden.

 

Ja, ich bin auch enttäuscht,
wie alles gekommen ist.
Aber ich habe
keine Tränen in den Augen,
weil wir am Schluss
ein paar Spiele zu viel verloren haben.
Ja, viele von uns
sind vielleicht übermütig geworden,
wir haben alle
fast keine Grenzen
mehr gesehen.
Wir haben von Demut gesprochen,
wurden aber vom Erfolg verführt,
nicht mehr demütig zu sein.
So mancher Misserfolg,
so manches Negative
hat sich in der –
vor allem jüngeren –
Geschichte unseres Vereins
am Ende des Tages als
„gar nicht so schlecht“
herausgestellt.
Vieles hat sich ins Positive verwandelt.
Wir haben jetzt erfahren,
dass man manche Grenzen akzeptieren muss
und sie vor allem nicht umgehen darf.
Aber keiner kann uns verbieten,
die nächsten sportlichen Grenzen
wieder ein Stück zu verschieben.
Wiegt euch nicht in Sicherheit,
Wolfsberg, Rapid und auch nicht Red Bull –
wir haben noch einen Job zu erledigen:
Irgendwann werde ich
Pokal oder Schale berühren!
Und wenn nicht,
macht es auch nichts,
denn eines wird sich nie ändern,
eines werden keine Siege und keine Niederlagen,
kein Pokal und keine Schale,
keine Tabellenplätze,
keine Bundesliga,
kein Senat und kein Komitee,
keine Mitbewerber,
keine „saudummen Fehler“
und kein Covid-19
je verändern können:
dass meine Liebe zum LASK
grenzen-los
ist!

Christian Zeintl
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