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4. January 2016
“Boxing Day´s” in Schottland

Grundsätzlich mag ich Fliegen ja nicht. Man muss sich nicht nur um den Flug selbst kümmern, sondern auch wie man zum Flughafen kommt, wie man vom Flughafen in die anvisierte Stadt kommt, es geht viel Zeit für penible Sicherheitskontrollen und Boarding verloren. Zudem darf man noch viel zu viel Zeit mit viel zu wenig Platz- und Beinfreiheit verbringen. Wenn beim Betreten des Flugzeuges dann jedoch der ewige Nr. 1-Hit von Atomic Kitten abgespielt wird, lässt einem das alles vergessen und man genießt den Urlaub wieder in vollen Zügen Flugzeugen.

In Schottlands Hauptstadt angekommen, goss es erstmals wie aus Kübeln, somit war meine erste Tat in Edinburgh etwas, das ich schon lange erledigen wollte: Einen Regenschirm kaufen. Mit diesem fiel es mir dann auch sofort leichter, den richtigen Weg zum Kick Ass Hostel (ja meine Unterkunft hieß wirklich so!) zu finden.
Eine kurze Pause eingelegt und mit Pasta und Bier gestärkt stellte sich mir die Frage der Abendaktivität. Beim Einchecken wurde mir dabei von einem Pubcrawl erzählt und da ich so etwas eh schon immer mal machen wollte, fasste ich auch schnell die Entscheidung bezüglich Abendbeschäftigung. Dieses lief dann nett ab, ich lernte Leute aus Neuseeland, Amerika, Türkei und Vorarlberg kennen. Die Rule No. 1 (Don’t die!) wurde von allen befolgt und nachdem diverseste alkoholische Substanzen getrunken wurden, traten immer mehr den Heimweg an. So auch ich, um für die am nächsten Tag stattfindende Partie fit zu sein.

Heart of Midlothian – Celtic Glasgow FC
27. Dezember 2015/Tynecastle Stadium/16.844 Zuschauer/2:2

Nach einer kurzen Walking Tour am Vormittag begab ich mich frühzeitig zu oben genannten Spiel um eventuell doch noch Tickets für das ausverkaufte Ding zu ergattern. Nachdem ich erfolglos am Ticketschalter gebettelt hatte und gut ein Dutzend Leute meinten, dass es unmöglich ist Karten zu bekommen, weil es auch keinen Schwarzmarkt gäbe, schwand mein Optimismus noch schneller als befürchtet. Der Anpfiff rückte dann immer näher und anstatt an Tickets zu kommen, bekam ich Konkurrenz. Nun standen bereits dutzende Leute mit Geldscheinen an der Straße. (Das Zeichen, dass man noch eine Karte sucht.) Als ich schon resignierte, traf ich dann noch auf zwei Verkäufer des Fanzines „Unknown Pleasures“. Denen also eines abgekauft und ein bisschen über Gott und die Welt (Fußball) zu quatschen begonnen und dabei auch mein Schicksal erzählt.

Einer der beiden meinte dann, dass ich auf jeden Fall  ins Stadion kommen würde und vermittelte mich an eine Freundin, deren Freund keine Zeit für das Spiel hatte. Somit ging ich mit Alex, die auch ein führendes Mitglied der größten Fanorganisation der Hearts ist, zudem eine sehr nette Frau, deren Bekanntschaft mich wirklich sehr freute, zum Spiel. Danke nochmals, Alex!

Von der Sicht her war der Platz auf der alten Haupttribüne zwar nicht der beste (vor allem für Fotos), aber immerhin sah man alles vom Spiel. Dass auf dieser Tribüne, in diesem modernen Stadion noch immer alles (außer die Sitzschalen) aus Holz ist, lässt einem das Herz dann aber höher schlagen. Das Tynecastle-Stadium selbst wurde  bereits 1886 errichtet, hat in dieser Zeit viele große Spiele mitgemacht und natürlich auch viele Umbauten hinter sich, so dass der All-Seater heute etwa 18.000 Zuschauer fasst. Der Zuschauerrekord stammt vom Jahre 1932 als beim Spiel gegen die Rangers  53.000 Zuschauer ins Stadion kamen.

Wie sich bereits am Alter des Stadions erkennen lässt, hat auch der Verein schon eine lange Geschichte hinter sich. Dieser wurde 1874 gegründet, man konnte 4 Mal die Meisterschaft gewinnen, der letzter Meistertitel stammt jedoch schon aus 1960. Jüngere Vereinserfolge waren der Gewinn des schottischen Pokals 2006 und 2012. Im Jahr 2014 schlitterte der Verein in ein Insolvenzverfahren und der daraus resultierende Punkteabzug führte zum Abstieg in die 2. Liga. Es wurde jedoch der sofortige Wiederaufstieg geschafft und dabei ließ man sogar die großen Rangers hinter sich.

Somit standen sich an diesem Tage zwei große Vereine gegenüber und weil es auch sportlich um einiges ging – Celtic ist der Titelfavorit und die Hearts spielen als Aufstieger in der Außenseiterrolle um den Titel mit – war hier Spannung vorprogrammiert. Das Spiel selbst hielt dem dann auch Stand, es gab viele schöne Szenen zu sehen, was somit auch zu einer sehr guten Stimmung für britische Verhältnisse sorgte. In der 42. Minute hatten dann die etwas mehr als 2000 mitgereisten Celtic-Fans erstmals Grund zu jubeln, als ein Abwehrfehler zum 0:1 führte. Die Heimmannschaft konnte jedoch noch in der Nachspielzeit der 1. Hälfte ausgleichen, was das Stadion erstmals zum explodieren bringen sollte.

In der 2. Halbzeit war das Spiel dann nicht mehr ganz so gut, die Spannung blieb aufgrund des Spielstands aber natürlich bestehen. Nachdem die Heimmannschaft dann spielerisch etwas nachließ, ging Celtic verdient mit 2:1 in Führung. Danach war es wie so oft im Fußball – Die einen können nicht mehr, die anderen wollen nicht mehr. Als sich das Publikum schon mit einem knappen Celtic-Sieg abgefunden hatte, passierte jedoch doch noch etwas. Der Schiedsrichter sprach der Heimmannschaft in der Nachspielzeit einen Freistoß aus etwa 25 Metern zu. Dieser wurde kurz abgespielt und Osman Sow knallte ihn direkt unhaltbar ins Kreuzeck. Das Stadion jetzt natürlich am Ausflippen und es ist wirklich nicht übertrieben, wenn ich jetzt schreibe, dass man das eigene Wort nicht mehr gehört hat.

Nach dem Spiel wurde ich noch mit ins Supporters-Pub genommen, in dem viel über Fußball geplaudert wurde, aber auch viele Getränke genossen wurden. Als sich nach ein paar Stunden dann alles ein wenig auflöste, trat auch ich mit dem Bus den Rückweg ins Stadtzentrum an.

Dann ging ein perfekter Tag, mit einem perfekten Spiel und einem perfekten Länderpunkt leider zu Ende.

Roses are Red
Violets are Blue
Poems are Hard
Beer

Rangers FC – Hibernian FC
28.Dezember 2015/Ibrox Stadium/49.995 Zuschauer/4:2

Am nächsten Tag sollte es dann zum obengenannten Heimspiel der glorreichen Rangers gehen. Über deren Geschichte zu schreiben würde jetzt wohl den Rahmen sprengen, weil man über diese gut und gerne einen eigenen Bericht schreiben könnte. Auf die wichtigsten Fakten dieses Weltvereins möchte ich dennoch kurz eingehen. Kein anderer Verein der Welt hat in seinem Land mehr Meistertitel geholt als die Rangers, sie halten mit 54 Titeln den Weltrekord. Der letzte Meistertitel konnte dabei 2011 gewonnen werden. Der größte Erfolg in der jüngeren Vereinsgeschichte war mit Sicherheit der Einzug in das Finale des UEFA-Cups 2008, bei dem ca. 200.000 Rangers-Fans ihr Team in Lissabon unterstützten. Der größte Vereinserfolg war der Gewinn des Europapokals im Jahre 1972.

2012 folgte dann der bekannte Zwangsabstieg, weil sich die Betreibergesellschaft der Rangers im Zuge deren Insolvenzverfahrens mit den Gläubigern nicht einigen konnte. Die Rangers bekamen dann eine neue Betreibergesellschaft und wurden in die vierte Liga eingestuft. Auch in der vierten Liga sorgten vor allem die Fans über die Landesgrenzen hinaus für Furore. So wurde bereits beim ersten Spiel in der 4. Liga ein neuer Zuschauerweltrekord mit 49.118 Besuchern aufgestellt. Dieser sollte in dieser Saison noch einige Male selbst übertroffen werden. Der Zuschauerrekord überhaupt war übrigens ein Old Firm mit mehr als 118.000 Fans vor vielen, vielen Jahren, als Stadien noch aus Stehplätzen bestanden.

Mit viel Vorfreude trat ich somit die Reise nach Glasgow an. Im Hostel traf ich dabei noch auf zwei Deutsche (ein Schalker und ein Dortmunder – beste Freunde quasi), die allerdings ein Problem hatten. Das gleiche wie ich. Das Spiel war nämlich seit Wochen ausverkauft und es gab praktisch keine Chance auf Tickets. So traten wir zu dritt mit der Hoffnung, doch noch durch ein Wunder an Karten zu bekommen, den Weg nach Ibrox an. Und dort traf dann bald Ernüchterung ein. Jeder, den wir um Hilfe gefragt hatten, war zwar freundlich, konnte uns jedoch nicht helfen, da das Spiel wirklich schon lange ausverkauft sei und noch viele Leute nach Tickets suchten. So standen auch an der U-Bahn-Station etwa zwei Dutzend Leute, die jedem Neuankömmling Geld für ein Ticket anboten. Leider großteils ohne Erfolg. Als dann schon zehntausende Leute ums Stadion herumströmten und wir erfolglos und verwirrt durch die Gegend liefen, fassten wir dann den Entschluss es noch ein letztes Mal bei der U-Bahn zu versuchen. Einer der beiden Deutschen sah dort dann eine Menschhentraube aus etwa 25 Personen. Ich stürzte mich da einfach mal rein und tatsächlich hatte ich 1 Minute später drei Kindertickets in der Hand. Als dann das Upgrade zu Normaltickets auch noch ohne Probleme funktionierte, kannte unsere Freude keine Grenzen mehr und so ging es mit einem fetten Grinser in das geschichtsträchtige Ibrox-Stadium.

Auch zu diesem altehrwürdigen Stadion müssen noch ein paar Worte verloren werden. Den Namen bekam es vom Glasgower Stadtteil Ibrox. In diesem wurde die Spielstätte bereits 1899 errichtet. Drei Jahre nach dem Bau ereignete sich dabei eine der schlimmsten Tragödien des Fußballs: Beim Länderspiel Schottland-England brach eine der Holztribünen ein und 25 Zuschauer fielen in den Tod, etliche weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Im Laufe der Zeit wurde das Stadion natürlich immer wieder umgebaut, dennoch kam es 1971 zu einer weiteren Tragödie: Bei einem Old Firm kam es bei einem der Ausgänge zu einer Massenpanik, bei der 66 Fans ihr Leben verloren. Für diese ist vor dem ein Denkmal mit allen Namen der Todesopfer errichtet. Dieses wurde vor dem Spiel selbstverständlich noch besucht.
Aber jetzt endlich zum Sportlichen: Der Anspruch der Rangers ist natürlich die Rückkehr in die erste Liga und der Anschluss an frühere glorreiche Zeiten.

Möglichst soll der Aufstieg aus der zweiten in die erste Liga diese Saison endlich klappen und mit Hibernian war der größte Meisterschaftskonkurrent zu Gast in Glasgow. Beide Vereine standen vorm Spiel punktegleich an der Tabellenspitze. Ein Sieg heute hätte also schon für einen kleinen Vorteil sorgen können.
Dementsprechend gut war dann auch die Stimmung im Stadion. Zum Follow Follow Song der Rangers und zu Simply the Best wurden im Stadion Dezibel gemessen, die man ansonsten selten zu hören bekommt.

Kollektiver Jubel trat dann aber erstmals im mit etwa tausend Fans gefüllten Gästeblock auf, als Hibernian einen Konter erfolgreich vollenden konnte und mit 1:0 in Führung ging. In den folgenden Minuten sollte der Auswärtsblock auch ganz gut zu hören sein. Doch die junge Mannschaft der Rangers steckte nicht auf sondern packte die “Jetzt-erst-Recht-Mentalität” aus und spielte sich regelrecht in einen Rausch. So konnte man noch vor der Halbzeit in Führung gehen und traf nach vielen weiteren Chancen in der 65. Minute sogar zum 3:1. Bei jedem Tor freute sich dabei mein 75jähriger Sitznachbar Artie (der seit 1953 ins Stadion geht) so sehr, dass er Freudentränen in den Augen hatte und mich jubelnd umarmte. Das ist Leidenschaft, das ist Fußball! Möge dieser Sport niemals zugrunde gehen. Kurz vor Ende wurde es nochmal kurz spannend, als Hibernian nach einer roten Karte gegen die Rangers noch auf 3:2 verkürzte. Aber die Heimmannschaft konterte und schoss im Gegenzug das 4:2. Die Entscheidung. Die Atmosphäre war übrigens über das ganze Spiel atemberaubend, so verbrachte ich die 90 Minuten fast durchgehend mit Gänsehaut. Das war stimmungsmäßig das beste, das ich je in Großbritannien erlebt hatte und übertraf sogar das Tottenham-Spiel vor einen Jahr.

Zufrieden ging es mit den beiden Deutschen noch in den Fanshop und zur Feier des Tages wurden im Anschluss noch das eine oder andere ( 🙂 ) Getränk im Pub und im Karoake-Club geleert. Irgendwann in den frühen Morgenstunden ging es schließlich endlich ins Bett.

Airdrieonians FC – Stenhousemuir FC
29. Dezember 2015/Excelsior Stadium/724 Zuschauer/0:1

Entsprechend gezeichnet war das Aufstehen am nächsten Morgen schwer. Doch es half nichts – ich musste stark sein und meinen inneren Schweinehund überwinden. Denn in Edinburgh sollte ich mich mit meinem alten Freund Andrew treffen, der fürs Rangers-Spiel leider verhindert war. Mit ihm wurden noch einmal alle wichtigen Punkte Edinburghs abgelaufen, so der Calton Hill, Hollyroad Abbey, die Royal Mile, das Schloss, der Grassmarket und der Weihnachtsmarkt. An dieser Stelle soll noch erwähnt werden, dass Edinburgh wirklich eine wunderschöne Stadt ist und sich ein Besuch definitiv lohnt. (Nein für diese Phrase bin ich nicht vom Tourismusverband bezahlt worden – ich spreche aus meinem Herzen.)

Auch kulinarisch hatte der Tag einiges zu bieten, so kostete ich erstmals in einem Restaurant Haggis (Schafsinnereien) und das Nationalgericht der Schotten schlechthin – Einen frittierten Marsriegel. Eine Beschreibung lass ich jetzt bleiben, denn diese Köstlichkeit muss jeder für sich entdecken. Zudem wurde natürlich das eine oder andere Bier und auch Whiskey getrunken.

Und wie es immer ist, wenn man zum ersten Mal seit längerer Zeit einen Freund wieder trifft, vergeht die Zeit viel zu schnell. Andrew musste seinen Flug erwischen und ich musste rechtzeitig los um zum Kracherspiel der 3. schottischen Liga zu kommen. Nach etwas mehr als 30 Minuten Zugfahrt erreichte ich auch schon die 37.000 Einwohner zählende Stadt Airdrie, die irgendwo in der schottischen Pampa zwischen Edinburgh und Glasgow liegt.

Aber wer meint es handelt sich um einen komplett uninteressanten Verein, der irrt. Denn auch die Airdrieonians weisen eine lange Geschichte auf. Der Verein in heutiger Form existiert zwar erst seit 2002, da zu diesem Zeitpunkt der Vorgängerverein aufgrund eines Konkurses aufgelöst wurde. Der ursprüngliche Verein wurde jedoch schon 1878 gegründet, konnte sogar einmal den schottischen Pokal gewinnen und qualifizierte sich schon für den Europacup. Von den glorreichen Zeiten ist man heute jedoch weit entfernt, der Verein ist mittlerweile in der dritthöchsten Spielklasse gelandet und auch das neue Excelsior-Stadion kann im Gegensatz zum alten Broomfield Stadion – bis auf die schwarz-weiß-roten Sitzschalen – nicht wirklich gefallen. So kam ich auch mit wenig Erwartungen ins örtliche Stadion, in dem ich mich wieder mit den zwei Deutschen traf, die heute noch einen Braunschweiger sowie den Schotten Ken dabei hatten. Letzterer bezeichnet sich selbst nicht als Groundhopper sondern als jemand, der einfach gerne Fußballspiele sieht. So schaut er sich auch alle möglichen Jugendliga- und Unterklassespiele an und kam seit Beginn der Saison 2015/16 bereits auf über 100 Spiele. Ein äußerst interessanter und zudem netter Mann.

Über das Spiel kann ich jetzt eigentlich nichts schreiben. Ja, ich hatte mir wenig bis gar nichts erwartet. Ja, ich rechnete nicht damit, dass mir das Spiel ewig in Erinnerung bleibt. Blieb es dann aber doch. Denn das hier war mitunter eines der schlechtesten Spiele, das ich jemals gesehen hatte. Es ist nicht übertrieben, wenn ich schreibe, dass hier nie mehr als zwei Pässe ankamen. Man musste schon froh sein, wenn ein einzelner Pass ankam. Die gefährlichste Torchance war dabei ein Einwurf an die Latte in der 2. Halbzeit. Am Interessantesten an der Partie war die deutsche Planung der Länderpunkte Papua-Neuguinea und Iran…

Als Ken wenige Sekunden vor Schlusspfiff meinte, dass die heutigen Gäste aus Stenhousemuir dafür bekannt sind grottenschlechte Spiele abzuliefern und zum Schluss das 1:0 zu machen, passierte genau das, was niemand mehr für möglich gehalten hatte. Es fiel nach einem Eckball tatsächlich noch ein Tor.
War dieser Kick nun Zeitverschwendung? War dieser Kick nun Geldverschwendung? Reimt es euch selbst. Ich sage trotz aller Enttäuschung: NEIN. Denn ein Tag ohne Fußball ist noch viel enttäuschender.

Hamiltion Academical FC – Inverness Caledonian Thistle FC
30. Dezember 2015/New Douglas Stadium/1.555 Zuschauer/3:4

Zum Abschluss meiner Schottland-Reise sollte heute noch der Doppler aus Hamilton am Nachmittag und Motherwell am Abend anvisiert werden. Da beide Städte nur 10 km voneinander trennen war die Ansetzung für Groundhopper also wie geschaffen.

Doch bevor es in die, im Südosten Glasgows gelegene Stadt, ging, blieb noch etwas Zeit in Schottlands größter Stadt. So stärkte ich mich erstmal mit einem traditionellen schottischen Frühstück, bestehend aus Baked Beans, Kartoffeln, Ei und natürlich viel Fleisch. Danach trat ich den Weg zum Hampden Park (Muss ich jetzt erwähnen, dass es sich dabei um das Nationalstadion Schottlands handelt?) an. Dort befindet sich auch das nationale Fußballmuseum, dessen Eintrittsgebühr von 8 Pfund sich definitiv gelohnt hatte. In diesem traf ich dann auch auf einen Rangers-Fan, der wie so viele andere Schotten auch den LASK kennt. Immer wieder schön zu sehen, dass unser Verein noch immer weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist. 🙂 Das Museum selbst weiß sehr zu gefallen, jedem echten Fußballfan sei ein Besuch hierher empfohlen. Es ist wenig kommerziell aufgebaut, man findet viele Informationen und Videos zu den schottischen Vereinen, Highlights des Museums sind die erste schottische Eintrittskarte aus dem Jahr 1872, alte Trikots und Gemälde, ein Teil der alten Umkleidekabine des Hampden Parks – aus der neueren Zeit gibt es unter anderem die originale Champions League Trophäe aus 1999 sowie ein Originaltrikot und einen Ball des UEFA-Cup Finales 2008 zu bestaunen.

Nach dem Museumsbesuch lief ich noch ein bisschen in der Stadt herum, stattete der Kathedrale sowie der daneben befindlichen Necropolis (ein uralter Friedhof auf einem Berg) einen Besuch ab. Danach ging es mit der Bahn nach Hamilton, wo ich mich wieder mit den vier Fußballverrückten vom Vortag traf.

Der dort ansässige Verein spielt im New Douglas Park, welcher 2001 eröffnet wurde. (Das alte Stadion musste einem Supermarkt weichen.) Dieser sieht mit seinen 3 Tribünen sehr komisch aus: Es handelt sich dabei um eine Mini-Sitzplatz-Tribüne sowie zwei größere Tribünen, wobei die Hintertortribüne komplett den Auswärtsfans überlassen wird. Das Spielfeld besteht aus einem Kunstrasen, so dass hier so gut wie nie Spiele abgesagt werden.

Spielerisch haute uns in der 1. Halbzeit jetzt nicht wirklich vom Hocker, es war aber immerhin besser als das Gekicke vom Vortag. Inverness ging nach einer sehr schwachen Performance von Hamilton verdient mit 1:0 in Führung und die Gastgeber hatten wirklich viel Glück, dass sie nicht noch mehr unter die Räder kamen, denn das was die hier zeigten, war in der 1. Hälfte gar nichts.

In der 2. Hälfte sollte allerdings wirklich Spannung folgen, doch davor gibt es eine kurze Pause. Die wird genutzt um kurz etwas zu den beiden Vereinen zu schreiben. Wie so oft im schottischen Fußball weist auch der heute besuchte Heimverein eine lange Vergangenheit auf. So wird hier bereits seit 1874 Fußball gespielt. Große Erfolge blieben jedoch aus. Aber Erfolg ist immer Ansichtssache. Erfolg ist situationselastisch. Kann es nicht für einen vergleichsweise kleinen Verein aus einer kleineren Stadt bereits ein großer Erfolg sein, sich über soviele Jahre im Profifußball zu halten? Diese Frage muss jeder für sich beantworten. Erwähnenswert ist eventuell auch noch, dass Stürmerstar Roman Wallner auch schon für diesen Verein die Fußballschuhe getragen hat. In 4 Spielen gelang ihm jedoch wundersameweise kein einziges Tor…

Inverness, in Nordschottland gelegen, wurde erst 1994 durch eine Fusion der früheren beiden Vereine der Stadt gegründet, der größte Vereinserfolg liegt nur wenige Monate zurück, denn Ende Mai 2015 konnte der schottische FA Cup gewonnen werden. Interessanter Fakt am Rande ist möglicherweise noch, dass beim besuchten Spiel nur ein Schotte in der Mannschaft von Inverness spielte.

So, und nun zur 2. Hälfte. Brille aufsetzen und nicht ablenken lassen. Das was hier folgt, ist einer der größten Fußballkrimis, die ich beim Hoppen mitgemacht hatte: Die Gäste starteten wieder stark in das Spiel und gingen in der 51. Minute mit 2:0 in Führung. Das auch völlig verdient und die Höhe des Sieges schien für viele Zuschauer die einzig spannende Frage zu bleiben. Auch die gut 100 mitgereisten Inverness-Fans waren jetzt immer wieder sehr gut zu vernehmen. In der 66. Minute fiel dann ein Tor aus dem Nichts. Nein, nicht für Inverness, sondern für Hamilton. Vielleicht sollte es also doch noch einmal spannend werden. Und tatsächlich Hamilton begann nun konsequent und motiviert nach vorne zu spielen und wurde mit dem Ausgleich in der 81. Minute belohnt. Großer Jubel. Beide Vereine wollte sich jetzt mit diesem Remis aber nicht zufrieden geben. Inverness bekam in der 89. Minute noch einen Freistoß aus mehr als 20 Meter zugesprochen. Und wie schon beim 0:1 wurde dieser schön ins Kreuzeck verwandelt. Großer Jubel von Spielern und Auswärtsfans, denn das muss ja wohl für den Sieg reichen. Eine Minute später kommt Hamilton noch mal nach vorne und kann sich einen Eckball erkämpfen. Bei diesem herrscht Unsicherheit in den Reihen von Inverness und tatsächlich landet der Ball im Tor. Was für ein krankes Spiel!! Der Schiedsrichter gab insgesamt 3 Minuten Nachspielzeit. Also waren ja noch zwei Minuten zu spielen. In der letzten Spielsekunde fasste sich der einzige Schotte im Team von Inverness ein Herz und zog aus etwa 25 Metern einfach mal ab. Dieser Ball sollte unhaltbar im Kreuzeck landen. Der Jubel unter Auswärtsteam und Auswärtsfans kannte nun keine Grenzen mehr.

Nach dem Spiel gab es für uns aber ganz andere Sorgen. Hier schüttete es nämlich studenlang wirklich wie aus Kübeln (aus Kübeln ist hier sogar etwas untertrieben), so dass wir ein bespielbares Fußballfeld in Motherwell schon abschrieben. Und tatsächlich war für 17:00 Uhr eine Pitch Inspectation angeordnet. Aufgrund des vielen Regens und Windes kehrten wir erstmal im örtlichen Pub ein um dort auf die Entscheidung zu warten. Als dann zum zweiten Bier angesetzt wurde, brach unter den Groundhoppern im Lokal grenzenloser Jubel aus. Nicht nur, dass der Hopfen so gut schmeckte, nein der Schiedsrichter gab das ok für das Spiel in Motherwell. So wurde noch etwas Zeit im Pub verbracht, ehe es zum Abendspiel nach Motherwell ging.

Motherwell FC – St. Johnstone
30. Dezember 2015/Fir Park/4.055 Zuschauer/2:0

Kurz vor Spielbeginn erreichten wir den Fir Park und im Tausch für 12 Pfund erhielten wir eine Eintrittsgenehmigung.

Der Verein wurde 1886 gegründet und die größten Erfolge waren die schottische Meisterschaft 1932 und der Pokal 1952 und 1991. International kam der Verein leider Ende 2007 in die Schlagzeilen. Der damalige Kapitän Phil O‘ Donell brach beim Spiel gegen Dundee United zusammen und verstarb am Weg ins Krankenhaus. Zu O‘ Donells Ehren erhielt eine der Stadiontribünen seinen Namen und jährlich wird zu seinem Todestag eine Trauerminute abgehalten. Dieser sollte an diesem Tag sein (also eigentlich am 29.12) und nachdem diese abgehalten wurde, ging es auch schon mit dem Spiel los.

Hier folgte eine ziemlich ausgeglichene Partie, Motherwell war aber etwas kaltschnäuziger und konnte noch vor der Pause mit 2:0 in Führung gehen.
Das Stadion weiß mit vier verschiedenen Tribünen zu gefallen und auch eine kleine Szene gibt es hier, die sogar mit einer Zaun- und ein paar Schwenkfahnen anwesend war, wirklich vom Hocker hauten sie mich aber nicht.

Die 2. Halbzeit verbrachte ich dann mit zwei Sturm-Fans, beide sehr freundlich, fußballinteressant und auch ein breites Spektrum an Fußballwissen. Warum man allerdings in einem fremden Stadion, das rein gar nichts mit dem eigenen Verein zu tun hat in Fanbekleidung kommt, werde ich wohl nie verstehen. Naja, die Bekanntschaft hat mich trotzdem gefreut. Spielerisch sollte in der zweiten Halbzeit nicht mehr viel passieren und so blieb es beim 2:0 für Motherwell.

Am nächsten Morgen ging es dann über München schon wieder zurück nach Linz. Zusammengefasst eine Reise, die mir sehr gefallen hat. Mit Edinburgh eine wunderschöne Stadt besucht, mit den Rangers einen der größten Vereine überhaupt gesehen und viele nette Bekanntschaften gemacht. Außerdem wird hier Fußball nicht nur geliebt sondern auch gelebt. Eines Tages werde ich auf jeden Fall wieder kommen.

Für alle Statistikfreunde, die nicht auf Instagram vertreten sind, hier noch meine jährliche Fußballstatistik:

Besuchte Spiele: 146
Besuchte Länder: 9
Neue Grounds 74
Zurückgelegte Kilometer: ca. 33.300

Möge 2016 viele weitere Spiele bringen, möge 2016 unser glorreicher ASK Geschichte schreiben, möge der Fußball trotz immer stärkerer Kommerzialisierung und Korruption noch lange überleben. In diesem Sinne wünsche ich euch allen ein gutes und erfolgreiches neues Jahr.

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