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22. October 2021
Kapital um jeden Preis

Kapital um jeden Preis: Inwieweit beeinflusst der Kapitalismus unsere Denkweise im (Fan-)Alltag?

Neoliberales Wirtschaften scheint trotz Klimakrise fest verankert und unabwendbar zu sein im Jahr 2021. Es ist gewiss nicht meine Überlegung, dies hier zu bewerten. Trotz allem ist es mir ein Anliegen, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, welchen Einfluss jenes Wirtschaftssystem auf unser Leben als LASK-Fans hat, und welche Parallelen man zu unserem Fantum generell ziehen kann.

Der Blick im Regal richtet sich automatisiert in Richtung des rot-grünen Komplementärkontrastes der S-Budget Verpackungen. Prompt dreht sich schon der Kopf Richtung Kassa, was folgt, ist resignierendes Durchschnaufen. Und schon kann man es hören: “Zweite Kassa, bitte!”. Die etwa fünf Meter lange Warteschlange vor Kasse Vier hinterlässt wohl bei vielen von uns ein Gefühl von Genervtheit. Doch wägt man die sehr kurze Wartezeit von wenigen Minuten mit dem Fakt ab, dass das Arbeitsleben der Supermarkt-Mitarbeiter:innen ohnehin bekannterweise sehr am Limit und von Stress begleitet ist, so könnte man beim nächsten Besuch seine Einkaufsaggressivität doch etwas zurückschrauben. Wir wollen ohne groß nachzudenken alles sofort haben – und vor allem billig. Der eigene Geldbeutel scheint fast ein Teil unseres Körpers zu sein. Menschliche und moralische Grundsätze scheinen zunehmend in den Hintergrund zu geraten. Nun ja, der Kapitalismus ist ein Wirtschaftssystem, das auf Profit ausgerichtet ist, nicht auf menschliche Bedürfnisse.

Die schwarz-weiße Dress – ein menschliches Grundbedürfnis der LASK-Fans

Und so stellen wir uns die Frage: Muss man als LASK-Fan selbst seine fundamentalste Stütze seiner Leidenschaft, nämlich die Vereinsidentität, aufgeben, nur um sich ein de facto Mini-Stück weit weiter zu kommerzialisieren? Warum gibt es so viele LASK-Fans, die das einfach so, ohne groß zu überlegen, so hinnehmen? Muss man auf Biegen und Brechen seinen nicht greifbaren, nicht messbaren Stolz für eine endliche materielle Menge an Geld eintauschen? “Is ja ned die Heimdress – is ja wurscht” – eine beliebte Meinung. Doch selbst die Ausweichdress kann bzw. soll identitätsstiftenden Charakter haben oder gar entwickeln. So spielte der LASK von 1996 bis vor wenigen Jahren beinahe durchgehend mit rot-schwarz gestreifter Auswärtsdress – einer Dress, die in dieser Zeit auch in einer gewissen Art und Weise zur Tradition wurde und die viele von uns mit schönen Erinnerungen verbinden. Mit den Farben der Stadt und des Landes symbolisiert sie obendrein auch die Verbundenheit zur Heimat. Ob solch eine Verbundenheit mit schönen Erinnerungen zu einer grässlichen sponsorfarbenen Dress entstehen kann, kann man mit Sicherheit ausschließen. Das Endresultat ist nichts weiter als ein gutes Stück Entmenschlichung. Diese Entmenschlichung mit Geld abzuwägen, halte ich für äußerst fragwürdig.

“Wer zahlt schafft an”

Im Großteil aller Unternehmen gibt es Hierarchien – in der Wirtschaft bedeutet das, dass Menschen über andere Menschen Macht haben, die unter ihnen arbeiten. Sie bestimmen physisch, wie, wo und wann wir arbeiten sollen, aber sie können uns auch emotional das Gefühl von Wertschätzung geben, oder uns umgekehrt psychisch wahrlich demütigen und unser Leben zur Hölle machen. So entstehen im Kapitalismus unausweichlich Machtverhältnisse, mit Gewinner:innen und Verlierer:innen.

Durch den Verkauf der Dress entstehen gefährliche Abhängigkeiten, das bekamen wir im Extremfall gar international, zuhause auf der Gugl gegen den englischen Tabellenführer Tottenham zu spüren. Doch auch in Helsinki war die Dressenwahl – wie der LASK erst später zugab – eine Vorgabe von BWT. Und auch gestern in Armenien wurden die knapp 50 Schwarz-Weissen, denen selbst die 2500km weite Strecke nicht zu lang war, enttäuscht. “Wer zahlt schafft an” – eine eklige Reihenfolge von Wörtern, die wohl Millionen von Österreicher:innen in den letzten Tagen von ihren Handy-Displays ablesen durften. Das Ziel des Kapitalismus ist praktisch endloses Wachstum. Wer garantiert zudem, dass die BWTisierung des LASK mit dem Verkauf der Dressenfarbe nicht nur seinen Anfang findet?

Der Lindbauer darf nicht zum McDonalds werden

Der von jedem Menschen durchgeführte verbale Dialog und oftmals mit Stolz erfüllte Austausch seiner persönlichen Vorlieben bzw. Leidenschaften unter Menschen, ist praktisch keinem Individuum, das eine eigene Meinung besitzt, vorenthalten. Es ist eine Frage von Stil, nicht wahr? Und so kommt es am Tisch der Linzer Kulinarik-Kenner:innen zum verbalen und passionierten Schlagabtausch. Und so will man als gleichzeitiger LASK-Fan auch derjenige:diejenige sein, der:die es kaum erwarten kann, ein authentisches Linzer Gasthaus-Original als Expertise in der Gesprächsrunde zu präsentieren. “Lindbauer!”, “Klosterhof!”, “Gasthaus zum schiefen Apfelbaum!”, die etwaigen Mitstreiter:innen der Runde können sich gegenseitig nur zustimmend und respektzollend zunicken, solange bis der nächste Feinspitz seine Meinung kundtun will: “Mein absolutes Lieblingslokal ist die McDonalds-Filiale am Linzer Tauben…ähm Hauptbahnhof! McDonalds ist das erfolgreichste Kulinarikunternehmen in Österreich! Einmalig, was die für unser Land leisten!” Und damit hat der kleine, pickelige Sportsfreund, der im Übrigen auch großer RB Salzburg-Fan ist, auch absolut recht. Trotzdem wird er leider in den Untiefen der stilvollen Linzer Gastroszene wohl nie ernst genommen werden. Stil ist eine Sache von menschlichem Verstand, für Menschen mit Herz im Kopf und viel Weitblick. Mit Blick auf die Dinge im Leben, die wirklich zählen.

Die Intuition dieses Textes ist nicht das Hinterfragen des kapitalistischen Wirtschaftssystems per se, vielmehr das Hinterfragen dessen, wie wir als Menschen, als LASK-Fans, uns davon beeinflussen lassen. Es liegt an uns, was wir mit uns machen lassen.

#rosaabschaffen

Seit1908.at ist weder Verfasser dieses Textes, noch für den Inhalt dieses Gastkommentars verantwortlich.

Der Verfasser (seit1908.at bekannt) will anonym bleiben.

Harald Sonnberger
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