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20. March 2020
Non solo per la maglia – Ultras per la città!

Dass die Ultrabewegung ursprünglich aus Italien kommt, sollte jedem halbwegs fußballbegeisterten Menschen in Europa bewusst sein. Dass sie ihre Ursprünge in der Politisierung der italienischen Jugend der 1960er-Jahre während einer Wirtschaftskrise hat, könnte dagegen für viele Leser neu sein. Ultras in Italien war demnach nie oder nur sehr selten vermeintlich „unpolitisch“, wie es viele, gerade deutschsprachigen Gruppierungen für sich proklamieren. „Ultras no politica“ lautet der dazugehörige Spruch. Dies mag jede Fanszene für sich persönlich ausleben, jedoch gilt es spätestens in diesen Tagen nirgends mehr. Denn Politik bedeutet nicht nur, Parteipolitik zu betreiben. Politik bedeutet nicht nur, gegen Rassismus zu sein. Politik bedeutet schon gar nicht, Fahnen mit dem Keltenkreuz aufzuhängen. Politik bedeutet in diesen Tagen vor allem, Verantwortung für die Gesellschaft und für die eigene Stadt zu übernehmen.

John F. Kennedy sagte einst den berühmten Satz „ask not what your country can do for you — ask what you can do for your country.” Ich wusste nie so recht, was ich von diesem Satz nun halten sollte. Natürlich – für einen gelingenden Staat hat jede Bürgerin und jeder Bürger seinen Teil beizutragen. Ohne das Zutun des Staates jedoch hätten viele Menschen gar nicht die Möglichkeit, sich einzubringen. Dieses Wechselspiel ist es, was einen funktionierenden Staat ausmacht und dieses Wechselspiel ist es nun, was in Krisenzeiten einer Gesellschaft Halt geben kann. Dazu braucht es neben staatlichen Maßnahmen eben auch Solidarität unter seinen Bürgerinnen und Bürgern. Dass es ausgerechnet die Ultras sind, die hier einen großen Beitrag leisten, mag für einen Gutteil der Gesellschaft wohl erstmal ungewöhnlich sein. „Ultras? Das sind doch die ungebildeten Chaoten aus den Stadien!“ – so könnte die erste Reaktion vieler ausgefallen sein. Sollten sie es überhaupt mitbekommen haben, denn während ein paar Transparente in den Wochen zuvor in aller Munde waren, liest man vom jetzigen Engagement wenn überhaupt in den Lokalmedien ein paar Worte. Das ist aber auch nicht wichtig, denn während sich manch Prominenter für seine (natürlich dennoch lobenswerte) Charity-Aktion in den Medien feiern lässt, so machen dies die Ultras aus einem Selbstverständnis heraus. Dieses Selbstverständnis nennt sich Solidarität. Diese Werte werden eben nicht nur im Stadion gelebt, sondern auch im Alltag, in der Stadt und in Krisenzeiten. „Für die Stadt und den Verein“ ist demnach nicht nur irgendeine Phrase – deren Wahrheit zeigt sich jetzt.

Zurück zu den Ultras in Italien. Italien hatte es seit Bestehen der Ultrakultur nicht immer einfach als Land. Erdbeben, Krisen, Korruption, Brückeneinstürze, Nord-Süd-Gefälle, Attentate. Worauf sich die jeweils betroffene Stadt jedoch stets verlassen konnte, war die Hilfe seiner Ultras. Die negativen Facetten der Ultras in Italien wurden zur Genüge und teils auch zurecht bereits von verschiedenster Seite kritisiert, eine derart große Solidargemeinschaft wie sie findet man anderswo jedoch kaum. Auch überm Brenner wurden die Ultras erwachsen – für karitative Zwecke sammelt beinahe jede deutschsprachige Fankurve jährlich, die in Österreich wohl bekannteste ist die „Wiener helfen Wienern“-Aktion des Block West, aber auch beim LASK gibt es unter anderem den Punschstand, der von seit1908 gemeinsam mit den Landstrasslern organisiert wird und bei dem Spenden gesammelt werden. Diese Solidarität tritt zurzeit ganz besonders in den Vordergrund. Mir gefiel der Satz im Aufruf der Landstrassler „Wir – als Fangruppe des LASK – haben das Glück, im Raum Linz auf ein großes Netzwerk an jungen Menschen zurückgreifen zu können.“ Denn genau das ist es, was unsere Gesellschaft jetzt braucht. Zusammenhalt zwischen alt und jung, zwischen Risikogruppen und jenen, die völlig gesund sind. Schön, dass dies von einer der letzten großen Subkulturen großflächig und weltweit vorgelebt wird.

Mehr Infos zur Solidaraktion der Landstrassler findet ihr unter folgendem Link: http://www.landstrassler.at/corona.html

Kontaktieren könnt ihr sie über Facebook oder, zwischen 10 und 18 Uhr, unter der Telefonnummer: 0677/63754389

Eine Übersicht über die Hilfsaktionen im deutschsprachigen Raum findet ihr hier: https://www.faszination-fankurve.de

Waldhör Christian