MENUMENU
„Super! – In dieser Nacht sind wir Europas Topstars!“ –
30 Jahre Europacup-Triumph gegen Inter Mailand
Ein Jubiläums-Rückblick in drei Teilen
von Günther Waldhör
Nach – Spiele
Zwei Wochen im Herbst 1985 träumte der LASK mit seinen Anhängern in Stadt und Land einen wunderbaren Traum, den Traum, das große Inter Mailand im UEFA-Cup auszuschalten und in die
3. Runde einzuziehen. Natürlich wachte man immer wieder aus dem Traum auf und betrachtete die Sachlage nüchtern. Trotz des 1:0-Vorsprungs aus Spiel 1 war man immer noch klarer Außenseiter in diesem ungleichen Duell … aber träumen war ja erlaubt und hatte zumindest eine Basis, die am
23. Oktober gelegt worden war.
Befeuert wurden die Träume von den oberösterreichischen Medien, die durchwegs Optimismus verbreiteten. So gab es in der Kronen Zeitung ein großes Interview mit „Kalle“ Rummenigge, wobei die missglückte Generalprobe Inters – ein 0:3 in Florenz bei der Fiorentina – im Mittelpunkt stand. In der heimischen Meisterschaft hatte man zwischen den beiden Europacupspielen zwei schwere Gegner zu bekämpfen. Von Rapid Wien trennte man sich vor 11 000 Besuchern auf der Gugl mit 0:0. Am Tivoli holte man bei SSW Innsbruck ebenfalls einen Punkt, Siegfried Paseka hatte die Führung der Tiroler durch deren neuen deutschen Star-Spieler Hansi Müller, der über den Umweg Como Calcio von Inter Mailand zu den Tirolern gewechselt war, fünf Minuten vor Schluss ausgeglichen.
Dann aber galt die ganze Konzentration dem bevorstehenden Auftritt in einem der berühmtesten und größten Stadien der Welt, dem Stadio Guiseppe Meazza, vormals San Siro. San Siro ist ein Mailänder Stadtteil (in dem eben das Stadion steht). „San“ bedeutet „Heiliger“ und „Siro“ ist vermutlich der Heilige Syrus, Bischof in Pavia, 4. Jh., Guiseppe Meazza war einer der bedeutendsten Fußballer Italiens und Mailands. Er stand in den Weltmeistermannschaften der Azzuri 1934 und 1938 und lief 348mal für die Inter auf und erzielte dabei 247 Tore. Auch für den Stadtrivalen AC spielte er, allerdings nur 37mal mit 9 erzielten Toren. Dem Stadion fehlten 1985 noch der dritte Oberrang und die markante Dachkonstruktion. Beides wurde erst für die Heim-WM 1990 errichtet.
Ob es unseren Linzern gelingen würde, die Scheu vor dem berühmten Stadion, den feurigen Fans und dem Gegner rasch abzulegen? Zur Unterstützung boten die beiden größten Tageszeitungen des Landes, die Oberösterreichischen Nachrichten und die Neue Kronen Zeitung, Flüge und Busfahrten nach Mailand an. Die OÖN hatten für ihre Busreise sogar mit Helmut Köglberger, dem Jahre später zum LASK-Jahrhundertspieler gewählten ehemaligen Teamstürmer, einen äußerst prominenten Reiseleiter engagiert. In Summe dürften knapp 1000 Anhänger des LASK nach Mailand gereist sein. Es finden sich keine näheren Angaben in den Medien nach dem Spiel. Und auch als jemand, der im Stadion war, ist es nicht wirklich zu sagen. Die typischen Gästesektoren gab es noch nicht bzw. wurden sie nicht konsequent genützt. Wir waren an zahlreichen verschiedenen Plätzen des Stadions verteilt, wodurch wir natürlich hoffnungslos verloren waren was die Lautstärke betraf. Einen Support im heutigen Sinne mit Vorsänger, Trommeln und dergleichen gab es in den Achtziger Jahren auch gar nicht. Diese ungesicherte Vermischung in der Platzwahl war wohl nicht ganz beabsichtigt und hätte auch schief gehen können. Nur zwei Jahre davor war in Mailand ein junger Fan von Austria Wien, das Inter soeben aus dem UEFA-Cup geworfen hatte (2:1, 1:1), mit einer abgebrochenen Flasche lebensgefährlich verletzt worden. Gott sei Dank passierte nichts annähernd Vergleichbares bei diesem Spiel.
Leider hielt auch der sportliche Vergleich mit Austria Wien nicht ganz. Doch lange war das gar nicht so klar, wie es das Endergebnis vermuten ließe. 55 000 Zuschauer wollten Inter zur programmgemäßen Wende in diesem Duell peitschen (minus der 1000 Linzer, die sich genau das nicht wünschten). In der ersten Viertelstunde war schon ein flottes Hin und Her zu beobachten. Erneut traten unsere Schwarz-Weißen sehr respektlos auf und kamen in dieser Anfangsphase zu zwei Chancen, die durchaus Tore hätten sein können, die zweite vielleicht sogar müssen. Eine feine Kombination Malnowicz – Höld – Meister schloss Meister etwas vorschnell mit einem Schuss ins Außennetz ab. Er hatte übersehen, dass Gröss zwischen Fünfer und Elfer ganz frei gestanden wäre. Noch größer die Gelegenheit für Malnowicz in der 17. Minute: Nachdem sein eigener Schuss abgeblockt worden war, kam der kleine, quirlige Pole nach einem missglückten Rückpass von Mandorlini vor dem kleinen Strafraum noch einmal an den Ball, überhob Tormann Zenga, aber leider auch das Tor. Praktisch im Gegenzug fiel Altobelli im Zweikampf mit Klaus Dantlinger geschickt und schon zeigte der sowjetische Schiedsrichter Miminoschwili auf den Elferpunkt. „ Das war doch nie ein Elfer!“ ärgerte sich unser Parade-Schwarz-Weißer, der in Summe 12 Jahre für unsere Farben auflief (1981 – 1993). So sah es auch der Sportjournalist im Tagblatt. Er formulierte süffisant: „Altobelli beschließt im LASK-Strafraum einen „Sitzstreik“, der russische Schiedsrichter Miminoschwili fällt prompt darauf herein und diktiert einen völlig ungerechtfertigten Elfmeter!“ Der irische Teamspieler im blau-schwarzen Dress, Liam Brady, nahm das Geschenk dankend an. Er täuschte Klaus Lindenberger, der wieder ins LASK-Tor zurückgekehrt war, und verwandelte sicher ins rechte Eck. Eine höchst umstrittene Szene dann auch in Minute 30: Nach einer Malnowicz-Flanke hechtete der agile Erwin Höld nach dem Ball und brachte ihn tatsächlich per Kopf zum – vermeintlichen – Ausgleich im Inter-Tor unter. Doch Miminoschwili wollte ein Abseits gesehen haben. Die bekannte italienische (!) Zeitung „La Stampa“ schrieb dazu: „Ein Tor Hölds wird wegen eines nicht existierenden Abseits annulliert und zwei Minuten später benachteiligt der Russe die Österreicher noch ärger: Malnowicz wird von Mandorlini im Strafraum niedergestreckt, aber der Referee lässt, was unglaublich ist, weiterspielen.“ Damit ist auch schon gesagt, was in Minute 32 passierte … und wieder einmal kam, was in solchen Situationen eines Fußballspiels kommen muss. Das Tor fiel auf der anderen Seite. Unsere Abwehr übersah den völlig frei stehenden Altobelli und der hatte – leider – nichts Besseres zu tun, als Rummenigges Zuspiel sicher per Kopf zu verwerten. Mit 2:0 ging es in die Pause. Aber aufgrund der Auswärtstorregel waren wir bloß ein Tor vom Aufstieg entfernt. Das schien immer noch machbar. Und so spielten unsere Jungs auch. Frech und mutig ging immer wieder die Post ab. Der eingewechselte Max Hagmayr brachte viel Schwung mit und mit Malnowicz und Höld waren quirlige und wendige Spieler am Werk. Malnowicz visierte mit einem starken Schuss das kurze Eck an, Zenga war zur Stelle (54.), ebenfalls an Zenga scheiterten Meister nach feinem Sololauf (59.) und Gröss mit einem Freistoß (62.). Über diese Phase sollte später Rummenigge im Interview sagen: „Bis zehn Minuten vor dem Schlusspfiff habe ich nicht geglaubt, dass wirr aufsteigen. Ich habe ständig mit einem Tor des LASK gerechnet. Das wäre unser Ende gewesen“ . Das Ende waren dann aber leider die Treffer Nummer 3 und 4, die beide nach Rummenigge-Vorarbeit der in Hochform agierende Altobelli erzielte. Abgeklärt und gnadenlos nützte Inter die allzu frech gewordene Spielweise und die nachlassenden Kräfte unserer tapferen Mannen aus. Am Ende stand ein 0:4, das keiner, der das Spiel gesehen hatte – ob Italiener oder Österreicher –, für gerecht empfand. Doch dafür konnte man sich damals wie heute nichts kaufen. Dennoch taten die Komplimente, die auf unseren Klub prasselten, gut. Der LASK habe „Inter bis zur letzten Minute leiden lassen“, hieß es da in „La Stampa“, der „Corriere della Sera“ stellte fest, dass die Linzer „nie ein leichter Gegner waren“ und die „Gazetta dello Sport“ attestierte dem LASK, „Inter wieder einmal zu einer Gänsehaut verholfen zu haben“. Selbst Italiens Teamchef, der Weltmeister-Trainer Enzo Bearzot (verstorben 2010), sparte nicht mit Lob: „Inter hat sich gegen einen lange Zeit besseren LASK in die dritte Runde gezittert. Nimmt man die zweite Halbzeit mit Ausnahme der letzten zehn Minuten, als Maßstab, dann hätte der LASK den Aufstieg verdient.“
Alle fachmännischen Analysen und alle Freundlichkeiten änderten aber nichts daran, dass das Abenteuer UEFA-Cup an diesem Abend des 6. November 1985 zu Ende ging.
Für Inter dauerte das Abenteuer noch relativ lange. In der 3. Runde setzte man sich mit viel Mühe gegen Legia Warschau aus Polen mit 0:0 und 1:0 nach Verlängerung durch. im Viertelfinale war es mit einem Gesamtscore von 6:3 gegen den FC Nantes aus Frankreich wieder wesentlich deutlicher. Im Halbfinale kam es zum großen Schlager gegen Real Madrid. Das Hinspiel gewann Inter mit 3:1, im Rückspiel stand es nach 90 Minuten ebenso, jedoch für Real, das in der Verlängerung dann noch zwei Treffer zur Entscheidung nachlegen konnte. So endete der Weg Inters dann doch an einem etwas größeren Kaliber als es der LASK in Runde 2 war. Aber viel hat nicht gefehlt.
Doch – und allein das mutet uns heute wie ein Traum an – beinahe selbstverständlich qualifizierten wir uns in der laufenden Saison gleich wieder für den nächsten UEFA-Cup und in der übernächsten wieder. Welch selige Zeiten … ob sie einst wiederkehren?
Nach zwei dritten Plätzen 1984 und 1985 reichten 1986 und 1987 auch jeweils vierte Plätze zur Qualifikation für Europa. Austria und Rapid blieben weiter unantastbar und die Alpenstadt am Berg Isel, die uns auch anno 2015 etwas Sorgen bereitet, hatte aufgerüstet und uns überholt. Im UEFA – Cup selbst reichte es in diesen beiden Jahren dann auch nicht mehr zur Qualifikation für die zweite Runde. 1984 hatte man den schwedischen Klub Östers Växjö (1:0, 1:0) bezwungen, ehe man deutlich an den Schotten von Dundee United (1:2, 1:5) scheiterte. 1985 besiegte der LASK – wie berichtet – Banik Ostrau (2:0, 1:0) aus der Tschechoslowakei und verdiente sich so die Spiele gegen Inter Mailand. 1986 scheiterte man am polnischen Rivalen Widzew Lodz (1:1, 0:1), 1987 sorgte der holländische Kontrahent FC Utrecht für unseren Abschied aus Europa (0:0,0:2). Es war ein langer Abschied, erst 12 Jahre später gab es ein kurzes Comeback. Als gegen den Meister Sturm Graz – höchst unglücklich im Elfmeterschießen – unterlegener Cup-Finalist qualifizierten wir uns 1999 für den UEFA-Cup (den Cup der Cupsieger hatte die UEFA soeben abgeschafft). Die Hürde Steaua Bukarest (0:2, 2:3) erwies sich aber als zu hoch. Seither sind 16 Jahre vergangen … aber wie sagen die weisen älteren Damen und Herren: „Man muss alles erwarten können!“ Und so warten wir Schwarz-Weiße: Geduldig und beharrlich, treu und unsagbar froh, dass es – bei allem was man auch kritisch sehen mag – den Klub überhaupt noch gibt und dass er momentan so gesichert dasteht. Der Applaus aber für die Vorläufer der heutigen Generation, zum Beispiel die legendären 1985-er Inter-Bezwinger, kann nicht laut genug sein: Danke für Euren Eintrag in die LASK-Geschichtsbücher! Mögen bald neue Einträge folgen!
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Quellen:
Oberösterreichische Nachrichten, Neue Kronen Zeitung, Neues Voksblatt, Tagblatt – die Ausgaben zwischen 16.09. und 03.10.1985 sowie zwischen 20.10. und 08.11.1985
Buch: Matheis Rudolf (Hg.), Ewig lockt der LASK. Das offizielle Buch zu „100 Jahre LASK“, Linz 2007
Buch: Tarras Stefan, Die großen Fußballvereine der Welt, München 1988
Internet: www.wikipedia.at (diverse Artikel)
diplomarbeit-zuseherausschreitungen-im-fussballsport.doc
http://austrianfootball.blogspot.co.at/2015/02/austria-steigt-gegen-inter-mailand-auf.html
www.weltfussball.com
Persönliche Informationen von LASK-Fan Jürgen Woisetschläger
Eigene Aufzeichnungen aus den Jahren 1983 – 1987