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6. August 2014
Blick ins Regelbuch: „Leg dich niemals mit dem Schiri an”

Der LASK gewinnt durch zwei späte Tore im Lustenauer Reichshofstadion. Nicht unwesentlich ist dabei eine Szene, die sich ca. eine halbe Stunde vor dem Siegestreffer der Schwarz-Weißen am Spielfeld abgespielt hat. Bei einem Angriff des LASK will der Lustenauer Mittelfeldspieler Mario Bolter eine Abseitssituation erkannt haben. Da der Schiedsrichter und der Spieler die Situation unterschiedlich wahrnehmen, macht Mario Bolter seiner Unmut Luft und kritisiert den Schiedsrichter für seine Entscheidung. Daraufhin wird Mario Bolter vom Schiedsrichter verwarnt. Dieser kann es aber nicht lassen und kritisiert den Schiedsrichter weiter, woraufhin es die zweite Verwarnung, also die Ampelkarte mitsamt Spielausschluss, setzt. Damit war sein Team, welches das Spiel bisher klar beherrschte in Unterzahl. Mitterweile wissen wir, dass diese Szene der Wendepunkt im Spiel war und Mario Bolter mit seinem losen Mundwerk nicht nur sich selbst, sondern auch seinem Team massiv geschadet hat.

Aufreger war dieser Ausschluss keineswegs, selbst Helgi Kolvidsson sprach nach dem Spiel von einem regelkonformen Ausschluss – obwohl man ihm anmerkte, dass ihm trotz dieses Bewusstseins das Verständnis für den Ausschluss fehlte. Das ist nachvollziehbar, kam es in der Vergangenheit bisher noch nicht allzu oft vor, dass es innerhalb einer Minute ein Spieler gleich zweimal wegen Kritik in den Gelben Karton schauen musste. Ohnehin handelt es sich beim verwarnungswürdigen Vergehen Kritik, um ein heißes und oft diskutiertes Thema. Grund genug für mich, um wieder mein neues Lieblingsbuch – das Regelbuch – zu zücken und nachzuschlagen:

Dort findet sich auf Seite 40 (Regel 12) nur der Hinweis, dass „Protestieren/Reklamieren durch Worte oder Handlungen” zu den sieben verwarnungswürdigen Vergehen gehört. In den Erläuterungen für Schiedsrichter steht auf Seite 126 folgendes: „Zeigt sich ein Spieler mit einer Schiedsrichterentscheidung nicht einverstanden, indem er protestiert (verbal/nonverbal), wird er vom Schiedsrichter verwarnt.”

Regeltechnisch ist jede Reklamation mit Gelb zu bestrafen

Es wird also nicht klar definiert welches Verhalten zu einer Gelben Karte wegen Kritik führt. Es lässt sich lediglich feststellen, dass es nicht immer heftiger Worte bedarf um diese einzufangen, sondern auch ein reklamieren mittels Gestik und Mimik dazu führen kann. Nach dargelegter Ausführung hat prinzipiell jede Reklamation beim Schiedsrichter zu einer Gelben Karte zu führen. Es liegt also im Ermessen des Schiedsrichters, was er als normale emotionale Äußerung durchgehen lässt und war er als persönliche Kritik wahrnimmt. Der Übergang ist fließend und die Grenze dürfte in einem Graubereich – bei jedem Schiedsrichter und jedem Spiel etwas anders – liegen.

Keine Sonderrechte für Kapitän

Man kann den Spielern also nur raten, dass sie die Entscheidungen des Schiedsrichters prinzipiell kommentar- und emotionslos hinnehmen, um der Gefahr einer Verwarnung zu entgehen. Auch der weit verbreitete Irrtum, dass der Kapitän das Recht hätte eine Entscheidung des Schiedsrichters zu kritisieren, ist falsch. Denn auf Seite 126 des FIFA-Regelwerks ist in Bezug auf Reklamieren/Protestieren folgendes vermerkt: „Der Kapitän genießt gemäß Spielregeln weder einen Sonderstatus noch besondere Privilegien, trägt aber eine gewisse Verantwortung für das Verhalten seines Teams.” Natürlich ist das Hinnehmen manchmal alles andere als leicht, vor allem weil man sich ja wünscht, dass die Spieler mit Leidenschaft am Werk sind – und wo Leidenschaft, da auch Emotion.

Schiedsrichter hat immer Recht

Dennoch sollte man sich dessen bewusst sein, dass protestieren und reklamieren – neben der Gefahr einer Verwarnung – nicht zielführend ist, denn in Regel 5 ist definiert, dass der Schiedsrichter immer Recht hat. Im Regelwerk liest sich das so: „Die Entscheidungen des Schiedsrichters zu spielrelevanten Tatsachen sind endgültig.(…) Der Schiedsrichter darf eine Entscheidung nur ändern, wenn er feststellt, dass sie falsch war, oder, falls er es für nötig hält, auch auf einen Hinweis eines Schiedsrichterassistenten oder des vierten Offiziellen. Voraussetzung hierfür ist, dass er die Partie weder fortgesetzt noch abgepfiffen hat.”

Schiedsrichter können auch nach Spielende noch Strafen aussprechen

Taten aus der Emotion heraus sind prinzipiell gefährlich, auch wenn sie nach Spielende passieren. Diese Erfahrung musste gestern der Co-Trainer der Lustenauer machen, der nach Spielende Auslöser von Tumulten am Spielfeld war und deswegen bei der Bundesliga angezeigt wurde. Dabei haben Ersatztorhüter Alexander Strobl und Radovan Vujanovic gut reagiert, indem sie deeskalierend eingriffen und damit u.a. Kapitän Mario Hieblinger vor einer möglichen Dummheit bewahrt haben. Denn auch wenn das Spiel bereits beendet ist, genießt der Schiedsrichter noch Strafgewalt. So lange sich der Schiedsrichter am Spielfeld befindet, kann er auch noch Karten verteilen – bedeutet also, dass unsportliches Verhalten und Kritik nach wie vor mit Gelb, beleidigende Äußerungen und Tätlichkeiten mit Rot bestraft werden können. Wenn der Schiedsrichter den Platz verlassen hat, erlischt auch seine Strafgewalt – unabhängig davon ob sich andere Akteure noch am Spielfeld befinden, oder nicht. Vorsichtig sollte man dennoch sein, denn eine Anzeige – die ebenso zu einer Spielsperre führen kann – ist auch dann noch möglich.

Für Spieler, Funktionäre und Offizielle des LASK mögen die Ereignisse aus Lustenau lehrreich sein. Man hat auf diese Weise die Chance erhalten relativ billig zu 3 Punkten zu kommen. Umgekehrt kann man auf diese Weise aber schnell sicher geglaubte Punkte wieder aus der Hand geben. Somit lässt sich abschließend nur folgendes festhalten: „Leg dich niemals mit dem Schiri an! – In einer solchen Auseinandersetzung ist man immer der zweite Sieger.”

Didem Bilgin
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