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15. September 2014
Blick ins Regelbuch: Von gegebenen und aberkannten Toren

Was war das für ein schöner Abend am vergangen Freitag. Der LASK schießt im Duell der Aufsteiger den FAC mit 5:1 aus dem Stadion. Binnen weniger Minuten haben die Schwarz-Weißen in der zweiten Spielhälfte alles klar gemacht. Besonders erwähnenswert ist dabei, dass die Tore mit fortlaufender Spieldauer immer schöner wurden – so war der Flugkopfball von Fabiano wohl das schönste Tor des Abends. Getoppt hätte er sich beinahe selbst, als er in der 72. Minute den Ball mit einem Fallrückzieher ist Netz beförderte und das halbe Dutzend an Toren vollgemacht hätte – wenn der Schiedsrichter dieses Tor nicht als regelwidrig aberkannt hätte. Statt mit Anstoß wurde das Spiel also mit indirektem Freistoß für die Floridsdorfer fortgeführt. Unverständnis und Pfiffe für den Unparteiischen waren die Folge.

Natürlich ist das für mich ein schöner Anlass, die Entscheidung des Schiedsrichters einer Prüfung durch das Regelwerk zu unterziehen. Auf der Suche nach indirektem Freistoß landet man – völlig überraschend – wieder bei der mittlerweile beliebten Regel 12 (Fouls und unsportliches Betragen). In diesem Punkt heißt es, dass ein Feldspieler bei folgenden Vergehen einen indirekten Freistoß für den Gegner verursacht:

• Gefährliches Spiel
• Den Lauf des Gegners behindert
• den Torwart daran hindert, den Ball aus seinen Händen freizugeben
• ein anderes Vergehen begeht, dass nicht in Regel 12 erwähnt wird, und für die das Spiel unterbrochen wird, damit der fehlbare Spieler verwarnt oder des Feldes verwiesen werden muss.

Was wird gefährliches Spiel definiert?

Bei Fabiano kann es sich also nur um gefährliches Spiel gehandelt haben. Bei der Suche nach einer Definition wird man auf der Homepage der FIFA fündig, wo sich eine diesbezügliche Schulungsunterlage für Schiedsrichter zur Regel 12 befindet. Darin heißt es: „Als gefährliches Spiel gilt jede Aktion beim Spiel des Balles, durch die jemand verletzt werden könnte (einschließlich des Spielers selbst), die sich in der Nähe des Gegners zuträgt und diesen aus Angst vor einer Verletzung daran hindert, den Ball zu spielen. Die Aktion gilt nur dann als Vergehen, wenn dem Gegner daraus ein Nachteil entsteht. Ein Fallrückzieher oder Scherenschlag ist erlaubt, sofern dadurch nach Ansicht des Schiedsrichters kein Gegenspieler gefährdet wird.”

Unterschiedliche subjektive Wahrnehmungen – eine wird durch Regelwerk zur Wahrheit

Es ist also offensichtlich so, dass SR Andreas Heiss, der Meinung war, dass Fabiano bei seinem Fallrückzieher einen Gegenspieler gefährdet hat – und so ein Vergehen, welches man im Volksmund gerne als „hoher Fuß” bezeichnet, geahndet hat. Ob dies tatsächlich so war, dass sich der Floridsdorfer Innenverteidiger gefährdet gefühlt hat, sei dahingestellt. Letztendlich kann so etwas nur der Betroffene selbst lupenrein beurteilen, und dieser ist nicht befugt die Entscheidung zu treffen. Somit ist für die Entscheidung einzig und allein die Wahrnehmung des Schiedsrichters ausschlaggebend – seine Wahrnehmung entspricht in diesem Fall der Wahrheit und somit ist die Entscheidung durch das Regelwerk gedeckt. Aufgrund subjektiv unterschiedlicher Wahrnehmungen, gibt es bei solchen Entscheidungen (später kommen wir zu noch einer solchen) aber immer Diskussionen.

Unterschied zwischen „gefährlichem Spiel” und „verbotenen Spiel”

Die oft genannte Argumentation für die Gültigkeit des Tores, dass Fabiano ja nur den Ball gespielt hat, es zu keinem Kontakt mit dem Gegner kam und so kein Vergehen vorliegen könne, ist aber in jedem Fall falsch. Das hat nämlich auch der Schiedsrichter so gesehen, ansonsten hätte er keinen indirekten Freistoß verhängen dürfen. Denn in der Schulungsunterlage der FIFA heißt es auch: „Gefährliches Spiel kann nur dann vorliegen, wenn kein Körperkontakt zwischen den Spielern erfolgt.” Vergehen mit Köperkontakt sind somit nicht „gefährliches Spiel”, sondern „verbotenes Spiel” und mit direktem Freistoß bzw. Strafstoß zu ahnden.

Abseitsstellung von Vujanovic beim 1:0

Bei einem anderen Treffer des LASK wurde ebenfalls – zumindest im Fernsehsender SKY – darüber, diskutiert, ob dieser regulär erzielt wurde. Kommentator Gunther Schwarz wollte beim 1:0 durch Radovan Vujanovic nämlich eine Abseitsstellung des Stürmers erkannt haben. Sieht man sich die Wiederholung an, kann man sehen, dass Vujanovic beim Kopfball, also dem „Zuspiel” von Barry, zwar in abseitsverdächtiger Position stand, die Fahne des Schiedsrichterassistenten aber unten blieb.

Nicht jede Abseitsstellung ist strafbar

Damit widmen wir uns in dieser Kolumne erstmals der Regel 11Abseits. Schon der erste Satz in dieser Regel klingt spannend: „Die Abseitsstellung eines Spielers stellt an sich noch kein Vergehen dar.” Zweifellos ein wichtiger Satz, der unter den Fußballfans aber bekannt ist, wird doch in Diskussionen relativ oft der Begriff „passives Abseits” (den es im Regelbuch interessanterweise nicht gibt) verwendet. Doch die spannende Frage, ist wann eine Abseitsstellung strafbar wird. Dies ist laut Regelwerk der Fall, wenn ein Spieler „zum Zeitpunkt, zu dem der Ball von einem Mitspieler
berührt oder gespielt wird, aktiv am Spiel teilnimmt, indem er
• ins Spiel eingreift, oder
• einen Gegner beeinflusst, oder
• aus seiner Position einen Vorteil zieht.”

Tor zum 1:0 war regulär

Damit kommen wir zurück zum Treffer von Vujanovic. Ob überhaupt eine Abseitsstellung vorliegt, kann mit den Fernsehbildern nicht eindeutig belegt werden. Der Erläuterung wegen, gehen wir einfach mal davon aus, dass dies der Fall war. Ins Spiel eingreifen konnte Vujanovic nicht, da ihn der Ball nicht erreichte. Mit Christian Haselberger kam ein Verteidiger an den Ball, der von Vujanovic nicht beeinflusst wurde. Haselberger versuchte zu klären indem er bewusst die Flugbahn des Balles veränderte. Damit entstand eine neue Spielsituation, in der Vujanovic nicht mehr im Abseits stehen konnte, da der Ball vom Gegner kam. Da der Torschütze in der neuen Spielsituation auch keinen Vorteil aus seiner ehemaligen Abseitsposition zieht, war diese auch nicht strafbar und das Tor wurde somit regulär erzielt.

Sprung in die Vergangenheit

Wenn wir aber schon bei der Regel 11 sind, dann sollten wir auch noch einmal einen Blick in die Vergangenheit werfen, als uns vor zwei Wochen in Innsbruck beim Stand von 0:0 ein Treffer aberkannt wurde. Kogler trat bei einem Freistoß vom Flügel eine wunderschöne Flanke in den Strafraum. Diese ging über Freund und Feind hinweg und landete schließlich bei Shawn Maurice Barry, der den Ball eiskalt versenkte – Das Tor wurde allerdings aberkannt.

Täter Vujanovic – Schiedsrichter sind gespalten

So oft man sich die Situation auch ansieht, der Torschütze kommt dabei nicht einmal in den geringsten Verdacht im Abseits gestanden zu haben. Die offensichtliche Fehlentscheidung wird aber diskutabel, wenn man einen Blick auf einen anderen Spieler wirft. Vujanovic steht beim Abspiel deutlich im Abseits und steigt als einziger zum Kopfball hoch, als der Ball in seiner Nähe ist. Die Gretchenfrage ist nun ob der Stürmer mit diesem Hochspringen das Verhalten der Verteidiger beeinflusst hat, oder nicht. Ich selbst tendierte zwar in die Richtung dem Schiedsrichter zu folgen, wollte mich aber absichern und habe mich deswegen unter den Schiedsrichtern umgehört. Die Umfrage unter neun Unparteiischen ergab, dass fünf die Situation als Abseits bewerten und vier sagen, dass Vujanovic nie die Chance gehabt hätte den Ball zu erreichen und sein Handeln damit irrelevant sei. Letztendlich also eine knifflige Situation, die anscheinend nicht eindeutig aufgelöst werden kann. Daher möchte ich mit einer Beurteilung schließen, die mir ein Schiedsrichter mit auf den Weg gab, der das Tor gegeben hätte. Als ich ihn darauf festnageln wollte, dass Schiedsrichter Katona seiner Ansicht nach also eine Fehlentscheidung getroffen hatte, antwortete er folgendermaßen: „Sagen wir so, ich hätte anders entschieden, aber seine Entscheidung war auch nicht falsch.”

Seit1908
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