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28. July 2014
Blick ins Regelbuch: Zeitschinden, Nachspielzeit und zwei Ausschlüsse in der Bundesliga Teil 2
Heute Nachmittag wurden wir von Didem Bilgin aufgeklärt, was es mit dem Zeitschinden auf sich hat. Heute möchte er uns näher bringen, warum die Schiedsrichter mit den Roten Karten am Wochenende richtig lagen.
 

Robert Schörgenhuber liegt zweimal richtig.

Viel mehr Diskussionsbedarf als bei LASK – Hartberg gab es am vergangenen Wochenende aber einen Stock höher  – in der Bundesliga. So gab es beim Spiel WAC – Austria Wien den ersten Platzverweis (in der BL) der Saison. In der 6. Spielminute schlug Vanche Shikov einem Wolfsberger ins Gesicht, der oft gescholtene Robert Schörgenhofer erkannte die Tätlichkeit und schloss den Spieler zu Recht aus. Sofern man die letztwöchige Kolumne (Warum muß der Freistoß von Dorta wiederholt werden) gelesen hat, weiß man warum das Spiel mit Eckstoß und nicht mit Strafstoß fortgesetzt wurde.
 
Den Strafstoß für Wolfsberg gab es dann aber in der zweiten Spielhälfte – und auch in diesem Fall darf man dem Vorarlberger FIFA-Referee gratulieren – denn die Entscheidung war goldrichtig. Der Strafstoß war zu geben, denn Heinz Lindner sucht den Zweikampf mit Joachim Standfest und bringt diesen dabei mit einem unachtsamen Köperkontakt zu Fall. Dies ist nach Definition der Regel 12 als Foulspiel zu werten, welches im Strafraum einen Strafstoß mit sich bringt. Natürlich wurde ich sofort mit der Äußerung: „Aber Didem, das kann kein Foul sein, er hat doch den Ball gespielt“ konfrontiert. Ob der Ball gespielt wurde oder nicht, ist aber bei der Beurteilung ob ein Foulspiel vorliegt nicht relevant. Sobald es aufgrund von Fahrlässigkeit, Rücksichtslosigkeit oder brutalem Spiel zu einem Körperkontakt kommt, liegt Foulspiel vor. Ansonsten könnte man ja mit dem linken Bein den Ball spielen und mit dem rechten den Gegner treten ohne Konsequenzen befürchten zu müssen – ich bin überzeugt, die Kader der Teams wären in diesem Fall deutlich größer ;-).
 
Dennoch ist es für Heinz Lindner von enormer Bedeutung gewesen, dass er den Ball gespielt hat. Diesem Umstand ist es nämlich zu verdanken, dass sich der Ball beim Foulspiel bereits vom Tor wegbewegt und Standfest keine Chance mehr gehabt hätte, diesen im Tor unterzubringen. So liegt eben nur Foulspiel aufgrund eines fahrlässigen Zweikampfes vor – bedeutet: Spielstrafe Strafstoß, aber keine persönliche Strafe. Hätte Lindner den Ball nicht gespielt, so hätte er mit seinem Foul eine eindeutige Torchance verhindert – was einen Ausschluss zur Folge gehabt hätte.
 
Gelb-Rot für Mane war unglücklich, aber notwendig
Apropos Ausschluss … da gab es noch einen richtigen Aufreger in Wr. Neustadt, als Sadio Mane in der 40. Minute vom Platz musste. Der Grund dafür lag darin, dass Mane einen Freistoß ausführte, obwohl Schiedsrichter Lechner den Ball bereits gesperrt hatte. Dies bringt zwingend einer Verwarnung mit sich – und da Mane bereits in der 10. Minute eine Gelbe Karte für Ballwegschlagen (damit spannen wir den Bogen zurück – fällt unter Verzögerung der Wiederaufnahme des Spieles) bekommen hatte, war es eben seine Zweite. Die oft gehörte Aussage, ein Vergehen sei nicht “Gelb-Rot-reif” gewesen, ist ziemlicher Unsinn. Denn “Gelb-Rot” gibt es gar nicht. Gelb ist Gelb. Und das zweite Gelb ist auch Gelb – nur nunmehr mit danach folgender zwingender Roter Karte.
 
Unglücklich ist die Entscheidung dennoch, denn in den Fernsehbildern ist eindeutig zu sehen, dass Mane nicht mitbekommen hat, dass der Schiedsrichter den Ball gesperrt hat. Daher vermag ich Mane keine Absicht zu unterstellen – aber der oft gehörte Satz „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“ kommt dabei zur Geltung. Der Schiedsrichter kann sich nicht bei allen 22 Spielern rückversichern ob sie mitbekommen haben, dass der Ball gesperrt wurde. Lechner hat dies den Weisungen entsprechend angezeigt und Mane hätte sich vor der Ausführung bei seinem Teamkollegen erkundigen müssen, ob der Ball gesperrt sei.
 
Schnelle Freistoßausführung nur unmittelbar möglich
Sofern Mane bei der jährlichen Regelunterweisung, welche die Schiedsrichter allen Bundesligavereinen anbieten, aufgepasst hat, müsste ihm aber ohnehin klar gewesen sein, dass der Ball zu diesem Zeitpunkt bereits gesperrt war. Denn in dieser Schulung wurde erläutert, dass eine schnelle Ausführung eines Freistoßes nur möglich ist, wenn keine Maßnahmen des Schiedsrichters notwendig sind (z.B.: Disziplinarmaßnahme, Austausch, Behandlung verletzter Spieler) und wenn der Freistoß innerhalb weniger Sekunden nach der Spielunterbrechung ausgeführt wird. Da Mane bei der Anzeige des Schiedsrichters nicht vor Ort war und sich erst danach hinbewegt hat, ist diese Zeit längst verstrichen. In den Erläuterungen des ÖFB zu Freistoß und Mauerbildung heißt es dazu: „Eine verfrühte Ausführung hat die Wiederholung des Freistoßes + Verwarnung des Schützen zur Folge.“
 
Gnade vor Recht gibt es nicht
Hätte Schiedsrichter Lechner in diesem Fall Gnade vor Recht ergehen lassen, hätte sich wahrscheinlich niemand aufgeregt – mit einer Ausnahme: dem Schiedsrichterbeobachter. Der hätte Lechner für diesen Gnadenakt mit einem Punkteabzug bestraft – der aufgrund dessen, dass es sich um einen Ausschluss handelt auch noch deftig gewesen wäre. Absichtliche Fehler kann sich kein Schiedsrichter leisten – wenn er länger in der Liga bleiben will – und jeder Regelreferent wird in diesem Fall sagen, dass der Schiedsrichter nicht für Wohlbefinden der einzelnen Akteure zuständig ist, sondern dafür zu sorgen hat, dass den Regeln Geltung verschaffen wird.
In diesem Sinne hoffe ich, dass es nächste Woche etwas weniger Erklärungsbedarf gibt. Bis dahin eine schöne Zeit wünscht euch,
 
Eure Didem
Didem Bilgin
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