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28. July 2014
Blick ins Regelbuch: Zeitschinden, Nachspielzeit und zwei Ausschlüsse in der Bundesliga – Teil 1
Der Fußball ist oft wirklich ungerecht. Da liefert der LASK eine deutlich bessere Leistung als in der Woche zuvor ab und bekommt nur ein Drittel der Punkte vom letzten Spiel. Trotz drückender Überlegenheit gelingt es dem LASK nicht zumindest einen Treffer zu erzielen und damit den zweiten Sieg im zweiten Spiel einzufahren. Ein 0:0 nach dieser Tonart ist wie gemacht für „was wäre wenn Spielchen“. Neben zahlreichen Vorschlägen was der Stürmer doch anders machen hätte müssen, dass der Ball ins Tor befördert werden hätte können rückt zumeist noch ein weiterer Faktor in den Fokus: Zeit! Vielleicht wäre der erlösende Treffer ja in der nächsten Minute gefallen, oder ohnehin viel früher, wenn man nicht einen Großteil der 90 Minuten damit verbracht hätte, das Spiel nach einer Unterbrechung wieder fortzusetzen.
 
Der taktischen Variante des Zeitschindens kommt bei solchen Spielen also eine besondere Bedeutung zu. Wenn Spieler bei engen Matches gegen Spielende bei jeder noch so kleinen Berührung zusammenbrechen, besonders intensive Betreuung mit dem „Wunderwasser“ des Masseurs benötigen um Sekunden nach Fortsetzung des Spiels wieder das Spielfeld zu  betreten, in den letzten Minuten das Wechselkontingent noch ausgeschöpft wird (natürlich einzeln, wobei sich der auswechselnde Spieler von allen aktiven Beteiligten per Handschlag verabschieden muss und die Kapitänsschleife wie eine Trophäe weitergereicht wird) und die Ausführung von Abstößen, Einwürfen, Freistößen, sowie Eckstößen einer besonders intensiven taktischen Besprechung bedürfen, dann hat dies meist nur einen Zweck: Das derzeitige Ergebnis soll über die Runden gebracht werden. Je nach Ausgangslage werden die Protagonisten dieses Schauspiels von den Fans als besonders clever und abgebrüht gefeiert oder ihnen dafür die Pest an den Hals gewünscht. Spätestens in der 90. Minute rückt dann der Schiedsrichter in den Fokus, weil alle gespannt auf die Dauer der mindestens zu nachspielenden Zeit blicken. Klar ist, dass keine Seite zufrieden ist – was der einen viel zu lange, ist der anderen zu kurz. Doch wie kommt die Nachspielzeit zu Stande, welche Form des Zeitspiels ist erlaubt, welche verboten? Welche Möglichkeiten hat der Schiedsrichter um unerlaubtes Zeitschinden zu verhindern? Um dies zu beantworten schlagen wir wieder mal in unserem Regelbuch nach:
 
Regel 7: Dauer des Spiels – wie kommt die Nachspielzeit zu Stande
 
In der Regel 7, geht es um die Dauer des Spieles. Hier ist definiert, dass ein Spiel grundsätzlich 2×45 Minuten dauert und unter welchen Umständen es zu einer Verkürzung kommen kann (soll uns hier nicht weiter kümmern). Zur Nachspielzeit wird dort nur Folgendes festgehalten: „In jeder Spielhälfte wird die Zeit nachgespielt, die für Auswechslungen, Verletzungen von Spielern, Transport verletzter Spieler vom Spielfeld, Zeitschinden oder jeden anderen Grund verloren geht. Die nachzuspielende Zeit liegt im Ermessen des Schiedsrichters.“ Weiter hinten in den Erläuterungen für Schiedsrichter findet man auf Seite 104 des Regelbuches noch folgenden Hinweis: Es ist völlig normal, dass es in einem Spiel zu zahlreichen Unterbrechungen kommt (z. B. Einwürfe, Abstösse). Nachgespielt werden darf diese Zeit nur,
wenn es zu übermäßigen Verzögerungen kommt.“
 
Zugegeben, besonders aussagekräftig und besonders neu ist dieser Passus nicht. Wichtig ist aber, dass die Nachspielzeit einzig und allein im Ermessen des Schiedsrichters liegt und er entscheidet welche und wie viel der verlorenen Zeit eingespielt wird und es dafür (zumindest nicht im Regelbuch und den Erläuterungen dazu) keine Richtlinien gibt. Es ist aber auch ein offenes Geheimnis, dass die Schiedsrichter in ihren Schulungen Richtwerte für unterschiedliche Situationen bekommen und diese unter den Verbänden auch leicht variieren.
 
Verlorene Zeit vs. Vergeudete Zeit

Erwähnenswert ist dabei auch, dass Schiedsrichter in den Schulungen angewiesen werden zwischen verlorener und vergeudeter Zeit zu unterscheiden. Als verlorengegangene Zeit wird alles angesehen, was Auswechslungen und Verletzungen (Behandlungen, Abtransport) betrifft. Dabei handelt es sich um Unterbrechungen, die der Schiedsrichter bei der Kalkulation der Nachspielzeit berücksichtigen muss. Anders verhält es sich bei vergeudeter Zeit – also  sämtliche Tätigkeiten die ein Spieler unternimmt, damit sich die Wiederaufnahme des Spieles verzögert. Diese Zeit wird bei der Kalkulation der Nachspielzeit unter Beachtung der Vorteilsregel berücksichtigt. Das heißt, dass diese Zeit nicht nachgespielt werden muss. Vergeudet eine Mannschaft solange sie führt einige Minuten, ist sie aber kurz vor Schluss in Rückstand, muss diese Zeit nicht nachgespielt werden.
 
Zeitschinden als verwarnungswürdiges Vergehen

Solche Tätigkeiten stellen aber auch ein Vergehen im Sinne der Regel 12 (
Fouls und unsportliches Verhalten) dar. Hier ist klar definiert, dass die Verzögerung der Wiederaufnahme des Spieles zu jenen 7 Vergehen zählt, die eine Verwarnung mit sich bringen und zwar sowohl für aktive Spieler, als auch für Auswechsel- und ausgewechselte Spieler.  Der ÖFB hat sich in seinen Erläuterungen der Spielregeln diesem Thema gewidmet und hat die Fälle in denen ein Spieler wegen Verzögerung der Wiederaufnahme des Spieles zu verwarnen ist, eindeutig definiert:
Der Schiedsrichter verwarnt jeden Spieler, der die Spielfortsetzung verzögert, indem er
  • Einen Freistoß absichtlich an der falschen Stelle ausführt, um damit den Schiedsrichter zu zwingen, die Ausführung wiederholen zu lassen.
  • Einen Einwurf vorbereitet, dann aber plötzlich den Ball einem Mitspieler überlässt,
  • Nach einer Spielunterbrechung durch den Schiedsrichter den Ball wegspielt oder ihn mit den Händen wegträgt,
  • Die Ausführung eines Einwurfs oder eines Freistoßes unnötig verzögert,
  • Bei seiner Auswechslung das Spielfeld absichtlich langsam verlässt,
  • Eine Auseinandersetzung provoziert, indem er den Ball absichtlich in die Hand nimmt, nachdem der Schiedsrichter das Spiel unterbrochen hat.
 
Fehler von Sebastian Gishamer
 
Für das LASK-Spiel am vergangenen Freitag bedeutet dies, dass Schiedsrichter Sebastian Gishamer einschreiten und mit einer Verwarnung das weitere Zeitspiel des TSV Hartberg unterbinden hätte müssen. Kann man bei den Auswechslungen noch geteilter Meinung sein, ob die zu lange dauerten um eine Verwarnung auszusprechen, gibt es in der 85. Minute keinen Diskussionsbedarf mehr. Wenn bei einem Freistoß ein Spieler sich den Ball zurecht legt, dafür schon relativ viel Zeit in Anspruch nimmt und anschließend den Ort der Spielfortsetzung verlässt und ein anderer Spieler aus relativ großer Entfernung herantrabt um den Freistoß auszuführen, gibt es keinen Ermessensspielraum mehr – da hätte Gishammer die Gelbe Karte zücken müssen.
 
Ob dies am Spielausgang etwas geändert hätte, sei dahingestellt. Klar ist jedenfalls, dass sich Fußballspieler in diesem Falle wie kleine Kinder verhalten. Es beginnt mit Kleinigkeiten und wenn sie merken, dass es dafür keine Konsequenzen gibt, dann wird ausgebaut, bis es diese gibt.  Natürlich sind die Schiedsrichter angehalten, das Zeitspiel zuerst mit Ermahnungen und ihrer Persönlichkeit zu unterbinden, merkt der Schiedsrichter dass dies keine Wirkung zeigt, dann braucht es Verwarnung. Je eher der Referee das in den Griff bekommt, desto weniger Diskussionsbedarf gibt es nach Spielende. Da wir drei Tage danach noch darüber sprechen, darf wohl angemerkt werden, dass Sebastian Gishamer dies am vergangenen Freitag nicht gelungen ist. Von einem schweren Fehler bzw. spielentscheidenden Fehler kann jedoch keine Rede sein.
 
Am Abend lest ihr, warum Robert Schörgenhofer zweimal richtig lag …
Didem Bilgin
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