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27. July 2015
Vorenthaltener Elfmeter und ein Mann zu viel auf dem Feld!

Die neue Saison hat begonnen, ich freue mich, dass ich wieder im Lande bin und wieder für seit1908.at ein paar regeltechnische Bemerkungen machen darf. Beim LASK hat sich ja einiges getan, seit ich das letzte Mal hier aktiv war, im regeltechnischen hingegen sind die großen Umstürze ausgeblieben. Dennoch wird es auch in der kommenden Saison wieder genug aufregende Momente geben, bei denen die Männer in Schwarz im Mittelpunkt stehen. Dann komme ich ins Spiel und ich werde wieder versuchen mit meiner Analyse zu erklären ob es sich um einen tatsächlichen Fehler, oder nur um einen vermeintlichen gehandelt hat.

Beim ersten Meisterschaftsspiel dieser Saison sind die großen Aufreger ausgeblieben und Christoph Jäger stand nach dem Spiel nicht im Mittelpunkt der Diskussionen. Dies – gepaart mit der Tatsache, dass nur 3 Gelbe Karten notwendig waren – sind im Normalfall Indikatoren, die auf eine unaufgeregte, ruhige und gute Spielleitung schließen lassen. Also eine jener Spielleitungen, die man nicht in Erinnerung behält. Dieses Mal ist dies allerdings nicht der Fall. Christoph Jäger kann sich glücklich schätzen, dass Lukas Mössner in der Nachspielzeit die große Chance auf den Ausgleich ungenutzt ließ. Ansonsten hätte man wahrscheinlich über die 73. Minute etwas intensiver gesprochen.

Der LASK führte zu diesem Zeitpunkt mit 2:0, hatte das Spiel klar im Griff und das 3:0 schien nur eine Frage der Zeit zu sein. Rene Gartler hatte den Ball im Strafraum am Fuß und hob diesen mit einer Flanke auf das lange Eck vor das Tor, wo Nikola Dovedan versuchte ihn im Tor zu versenken. Dabei kam es zum Zweikampf mit dem Floridsdorfer Martin Stehlik. Dieser störte Nikola Dovedan dabei erfolgreich und verhinderte einen kontrollierten Kopfball des LASK-Stürmers, weshalb Torhüter Tino Casali mit dem Ball keine Probleme hatte.

Bei genauer Betrachtung wird ersichtlich, dass Martin Stehlik mit der Hand an Dovedans Hose griff und mit diesem „Halten“ verhindern wollte, dass der Stürmer den Ball erreicht. Das „Halten“ eines Gegners, oft auch als Textilvergehen bezeichnet, ist eines jeder 10 Vergehen, die einen direkten Freistoß für den gefoulten nach sich ziehen. Das Vergehen war also regelwidrig. Zusätzlich tritt in diesem Fall folgende gemeinhin bekannte Bestimmung in Kraft: Begeht ein Spieler eines der genannten zehn Vergehen im eigenen Strafraum, ist dies durch einen Strafstoss zu ahnden, vorausgesetzt, der Ball ist im Spiel. Dabei ist unerheblich, wo sich der Ball zum Zeitpunkt des Vergehens befindet.“ Dementsprechend hätte dem LASK in der 73. Spielminute ein Straftstoß zuerkannt werden müssen, womit sich eine große Chance ergeben hätte das Spiel mit 3:0 einer vorzeitigen Entscheidung zuzuführen.

FoulStehlik

 

Soviel zur Spielstrafe. Danach hätte sich Schiedsrichter Jäger noch der persönlichen Strafe für widmen müssen. In erster Linie ist zu klären ob das Vergehen nach einer persönlichen Strafe verlangt. Hierzu ist im Regelwerk folgendes zu finden: Ein Spieler ist wegen unsportlichen Betragens zu verwarnen, wenn er einen Gegner hält, um ihn dadurch vom Ball zu trennen oder um zu verhindern, dass der Gegner in Ballbesitz gelangt.“

Damit ist das Vergehen an sich bereits verwarnungswürdig. In weiter Folge müsste aber noch die Spielsituation in der das Vergehen getätigt wurde, bewertet werden. Konkret geht es um die Frage Stehlik mit dem „Halten“ auch den Tatbestand des „Vereiteln einer offensichtlichen Torchance für einen auf sein Tor zulaufenden Gegenspieler durch ein Vergehen, das mit Freistoss oder Strafstoss zu ahnden ist“, erfüllte.

Sehen wir uns dazu die maßgeblichen an. Die Schiedsrichter berücksichtigen beim Entscheid über einen Feldverweis für das Verhindern eines Tors oder das Vereiteln einer Torchance folgende Aspekte:

  • – Distanz zwischen Vergehen und Tor
  • – Wahrscheinlichkeit, dass das angreifende Team in Ballbesitz bleibt oder kommt
  • – Richtung des Spiels
  • – Position und Anzahl verteidigender Spieler

Das Vergehen, durch das eine offensichtliche Torchance vereitelt wird, kann ein Foul darstellen, das mit einem direkten oder indirekten Freistoss geahndet wird.

 In der konkreten Situation bedeutet dies folgendes:

  • – Die Richtung des Spieles war zweifelsohne in jene des Tores des FAC.
  • – Die Distanz zwischen Vergehen und Tor war äußerst gering, da sich das Vergehen unmittelbar vor der Torlinie ereignete.
  • – Die Wahrscheinlichkeit, dass Dovedan zum Ball kommt und der LASK somit in Ballbesitz bleibt, war gegeben, da Dovedan trotz des Foulspiels zum Kopfball kam (wenn auch nicht so, wie gewollt).
  • – Die Möglichkeit auf eine Torchance von Dovedan hätte kein weiterer Spieler des FAC mehr verhindern können.

Somit sprechen sämtliche Punkte gegen den Verteidiger und für den Angreifer, womit eine offensichtliche Torchance vereitelt wurde. Somit hätte Christoph Jäger in der 73. Minute auf Strafstoß für den LASK entscheiden und Martin Stehlik des Feldes verweisen müssen. Der FAC hatte also 17 Minuten lang einen Mann zu viel auf dem Feld.

stehlik posSR

Zur Verteidigung des Schiedsrichters muss allerdings angemerkt werden, dass dieses Vergehen sehr schwer zu beurteilen war. Dem Schiedsrichter fehlt in dieser Situation der Seitenblick. Stattdessen blickt er frontal auf die Situation und ihm wird durch den Täter selbst die Sicht auf das Vergehen verstellt. Somit konnte Christoph Jäger die Situation nicht korrekt beurteilen. Wenn dies jemand tun hätte können, so wäre dies der Assistent gewesen. Dieser war in der konkreten Situation aber einerseits gefordert um über eine eventuelle Abseitsentscheidung zu entscheiden und andererseits zu weit entfernt um eine Entscheidung zu treffen. Dies macht die falsche Entscheidung nicht richtig, jedoch nachvollziehbar. Glücklicherweise hatte diese Fehlentscheidung keine Auswirkungen auf den Sieger des Spiels, womit sich die emotionalen Diskussionen über die Situation erübrigen. Eine sachliche Analyse darf deswegen aber nicht ausbleiben.

Bis demnächst,

Eure

Didem

Didem Bilgin